Virtuelle Architekturräume in Spielen

Wie verfremdete Realität unseren Blick schärfen kann

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Das Spiel Kane & Lynch: Shanghai-Wolkenkratzer im Hintergrund © YouTube-Screenshot / deluxe345
Gareth D. Martin im Gespräch mit Gesa Ufer · 22.02.2017
Mit der Architektur digitaler Welten beschäftigt sich das neue Online-Magazin "Heterotopias". Man ziehe auch Querverbindungen zur klassischen Architektur, sagt Herausgeber Gareth D. Martin. Aus diesem Zusammenspiel entstehe eine bestimmte Reflektion auf unsere Sichtweise der Welt.
Der Londoner Autor, Spielekritiker und Künstler Gareth D. Martin hat gerade die erste Nummer eines neuen Magazins ins Netz gestellt. Es trägt – nach einem Begriff des Philosophen Michel Foucault - den Titel "Heterotopias" und beschäftigt sich mit der Architektur virtueller Welten – vor allem in Games und in Videos.
Der Titel "Heterotopias" passe sehr gut auf die Beschreibung virtueller Räume in Videospielen, sagt Martin im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur:
"Foucault hat einmal gesagt, dass diese 'Heterotopia' eigentlich einen Raum repräsentiert, der eben anders ist als unsere realen Räume. Der uns auch herausfordert in unserer räumlichen Wahrnehmung. Diese Räume sind etwas seltsam, sie sind etwas schräg. Sie haben mit den realen Räumen eigentlich nicht so viel zu tun. Und die Architektur unterscheidet sich eben. Und hat eher etwas von einer traumwandlerischen Architektur."

Querverbindungen zur real existierenden Architektur

Man beschäftige sich in dem Online-Magazin auch mit historischen Querverbindungen, etwa auch zur real existierenden Architektur, beschreibt Martin den Ansatz. In der ersten Ausgabe gehe es vor allem um Shanghai und die virtuellen Räume des Spiels "Kane & Lynch" :*
"Man wird sich dann dessen bewusst, dass dieses Shanghai, das es vor fünf Jahren gab, mittlerweile komplett zerstört worden ist. Dann gibt es auch so etwas wie Cyberpunk- Liebesbriefe an Shanghai."

Wie sehen Spieleentwickler die Welt?

Im Mittelpunkt stehe allerdings nicht die Beschäftigung mit klassischer Architektur. Man sammele vielmehr die Erfahrungen, die Spieler mit der digitalen Architkektur gemacht hätten, so Martin. So entstehe auch eine bestimmte Reflektion auf die Wirklichkeit:
"Natürlich sagt das etwas darüber aus, wie wir die Welt sehen. Was es uns gibt. Aber auch, wie die Spieleentwickler die Welt sehen. Beispielsweise gibt es das Spiel 'Strider' von Arcade von 1989, ein japanisches Spiel, wo der sowjetische Futurismus eine starke Rolle gespielt hat. Und das ist typisch für 'Heterotopias": Zu untersuchen, was man sich damals in der Sowjetunion unter Futurismus vorgestellt hat und wie japanische Spieleentwickler das mit ihrer eigenen Idee des japanischen Science Fiction verbrunden haben."

Digitale Screen-Shots - analog fotografiert

Das Magazin enthält viele Screen-Shots zur Visualisierung der Fragestellungen, erläutert Martin. Er habe eine analoge Kamera zum Fotografieren digitaler Shots benutzt:
"Dabei fand ich die Mischung ganz interessant: Dass man diese digitalen Räume noch durch den chemischen, analogen Prozess darstellt. Und das gibt ihnen eine ganz eigene Qualität. Das gibt ihnen etwas Traumwandlerisches. Und das war so ein bisschen der Ausgangspunkt: Dass man etwas schafft, was zwischen Fotografie, zwischen Kunst und konzeptioneller Kunst liegt. Und gleichzeitig auch eine Dokumentation von Games darstellt."
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