Verharmlosung des Holocaust

Schwer zu ertragen, aber nicht strafbar

06:43 Minuten
Demonstration gegen Coronamaßnahmen hält vor sein Gesicht ein Plakat auf dem ein gelber Davidstern abgebildet ist, in dessen Mitte steht "ungeimpft".
Nicht nur ein Phänomen in Deutschland: Ein Demonstrant in Wien setzt den Status von Ungeimpften mit dem von den Nazis verfolgten Jüdinnen und Juden gleich. © Imago / Aaron Karasek
Matthias Jahn im Gespräch mit Axel Rahmlow · 02.02.2022
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Davidsterne mit der Schrift „ungeimpft“ sind auf Protesten gegen die Coronamaßnahmen zu sehen. Auch wenn dies - angesichts der deutschen Geschichte - geschmacklos und kaum erträglich sei, ist es jedoch nicht strafbar, erläutert der Jurist Matthias Jahn.
Immer wieder tauchen bei den Protesten gegen die Coronamaßnahmen auch Menschen auf, die sich einen gelben Davidstern anheften - und seit es die Covid-19-Impfungen gibt, trgen diese Davidsterne oft auch Aufschrift „ungeimpft“. Die Aktivisten stellten sich mit diesen Symbolden in die Reihe der von den Nazis verfolgten Jüdinnen und Juden, die dazu gezwungen waren, einen sogenannten Judenstern zu tragen.

Hoher Stellenwert der Meinungsfreiheit

Viele Landesregierungen und Staatsanwaltschaften halten diese Form des Protests nicht nur für ignorant und geschmacklos, sondern für Volksverhetzung und damit für strafbar. Doch ganz so einfach ist dies nicht, sagt Matthias Jahn, Professor für Strafrecht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Richter am Oberlandesgericht.
So habe es im vergangenen März ein Urteil des Oberlandesgerichts in Saarbrücken gegeben, in dem die Richter einen Facebook-Post mit einem Davidstern mit den Worten „nicht geimpft“ für nicht strafbar befanden. Doch wurde darauf verwiesen, dass es immer auf den Einzelfall sowie auch auf den Kontext ankomme.

Was hier im Bereich dieser politischen Demonstration passiert, ist sicherlich empörend und anstößig. Aber das allein rechtfertigt noch nicht, eindeutig zu sagen: Das ist strafbar.

Matthias Jahn, Juraprofessor

Der Saarbrücker Richterspruch nahm laut Jahn Bezug auf das Bundesverfassungsgericht, das der Meinungsfreiheit einen hohen Stellenwert einräumt. „Die freiheitliche Gesellschaft muss solche provokativen oder geschmacklosen Äußerungen bis an die äußersten Grenzen aushalten und darüber diskutieren“, erläutert der Jurist. „Das tun wir.“

Keine Hoffnung in "Prinz Strafrecht"

Auch wenn es vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte schwer erträglich sei, dass solche Sterne gezeigt werden, handele es sich dabei noch nicht um Volksverhetzung. Dafür reiche es nicht, den Holocaust und das Naziregime zu verharmlosen, erläutert Jahn, denn die Gewaltherrschaft werde nicht gebilligt, verherrlicht oder gar gerechtfertigt. „Das kann man bei den coronaskeptischen Trägern solcher Sterne im Zweifel nicht bejahen.“
Wenn die Verharmlosung unter Strafe gestellt werden solle, müsste der Gesetzgeber überlegen, juristisch nachzuschärfen. Doch gibt Jahn zu bedenken, dass „die Hoffnung, die auch bei den Äußerungen aus den Landesregierungen mitschwingt, dass also der gute 'Prinz Strafrecht' unsere gesellschaftlichen Probleme im Kontext etwa der Bekämpfung von Corona lösen könnte, ist einigermaßen naiv“.
(rzr)

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