Veganismus im Sport
Crossfit: Kraft und Konditionierungsprogramm zum Muskelaufbau. © picture alliance / PIXSELL / Sanjin Strukic
Kraft aus Pflanzen
23:50 Minuten
Bewusstes Essen und hartes Training gehören zusammen. Im Spitzensport ist das längst bekannt. Doch die Themen Ernährung und Veganismus werden auch für Breitensportler immer interessanter.
Beim Crossfit wird in Gruppen trainiert, gegenseitige Motivation und spielerischer Wettkampf sind wichtig. Drei-, viermal in der Woche ist auch Ansgar Freyberg dabei. Er ist 1 Meter 90 groß, hat halblange Haare, Dreitagebart, tätowierte Arme. Körperliche Leistungsfähigkeit ist auch beruflich für ihn wichtig. Als „Sir Frank Doe“ ist er der Schlagzeuger der Country-Rockband „The BossHoss“.
Wissenschaftliche Untersuchungen an Universitäten in England und Deutschland haben Herzfrequenz, Energieverbrauch, Sauerstoffsättigung und andere Parameter von Schlagzeugern mit denen von Fußballprofis verglichen. Das Ergebnis: Schlagzeuger stehen Fußballern in puncto körperliche Herausforderungen in nichts nach. Und nebenbei macht sich Fitness auch gut auf Plattencovern.
„Zu einem bestimmten Album wollten wir geil aussehen und haben ein Sportstudio gebucht, wo wir so ein Rundum-Konzept, also neben Krafttraining auch Ernährungskonzept bekommen haben", erzählt Freyberg. "Und ich habe mich dann sehr strikt daran gehalten und war auch erstaunt, wie krass Ernährung auf den Körper wirkt und es bringt ja wirklich was. Man merkt, dass man Fett abbaut, Muskeln wachsen und so weiter. Und das hat mich schon beeindruckt.“
Viel Eiweiß in Extremphasen
Der Ernährungsplan definierte Nahrungsmittel und Mengen und Freyberg achtete auf eine regelmäßige und aufs Körpergewicht abgestimmte Zufuhr von Proteinen. Das ist vor allem für Leistungssportler*innen wichtig.
„Der Sportler braucht in Extremphasen 1,5 bis zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht Eiweiße, Proteine. Jeden Tag! Kann man sich vorstellen: 80 Kilo-Mann. Der braucht schon mal 160 Gramm Eiweiß und das nur über Hülsenfrüchte zu konsumieren ist nicht einfach. Geht auch. Aber da muss man etwas bewusster rangehen“, sagt der Sportwissenschaftler Ingo Froböse.
Da tierische Lebensmittel: Fleisch, Fisch, Eier, Milch, Käse usw. viel Eiweiß und das in einer für den Körper gut zu verarbeitenden Kombination von Aminosäuren enthalten, sind sie meist die erste Wahl, wenn es um den Muskelaufbau geht. Creatin ist eine Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindung, die im Energiestoffwechsel der Muskulatur eine entscheidende Rolle spielt. Der menschliche Körper stellt Creatin in Leber, Niere und Bauchspeicheldrüse aus bestimmten Aminosäuren selbst her. Über Fleisch kann Creatin direkt aufgenommen werden.
Fürs Plattencover war der Ernährungsplan der Rockband gut, aber trotz deutlich sichtbarer Muskeln fühlte sich Schlagzeuger Ansgar Freyberg bei so viel Fleischkonsum nicht wohl.
Ernährung ans Training anpassen
Die ehemalige Leichtathletin und Ernährungswissenschaftlerin Mareike Großhauser hat sich schon 2014 in ihrem Buch „Ernährung im Sport für Vegetarier & Veganer“ mit dem Thema auseinandergesetzt. Dabei stellte sie allerdings nicht Fleisch und Pflanzenesser gegenüber, denn Menschen, die Fleisch essen, essen ja durchaus auch Gemüse, sondern sie untersuchte Lebensmittel auf ihren Nährwert und die zielführende Bedeutung im Sport.
„Sportgerecht ernähren heißt, dass man dem Körper das gibt, was er braucht für seine Belastung. Und die Belastung ist ja nicht täglich gleich hoch, sondern die variiert. Wir haben unterschiedlichste Trainingsreize, und wir wissen heute, dass es sehr sinnvoll ist, die Ernährung zu periodisieren und anzupassen an die jeweiligen Trainingsreize“, sagt sie.
Sich sportgerecht zu ernähren, heißt, dem Körper das zu geben, was er braucht. Je nachdem, was die Sportart für ein Belastungsprofil hat. Der Körper eines Triathleten braucht zum Beispiel ein anderes Verhältnis der Makronährstoffe Fett, Kohlenhydrate und Eiweiß, als ein Kraft- oder Schnellkraftsportler.
„Letztendlich kommt es auf eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung an. Mit unterschiedlichen Aktzenten, je nachdem, was die Sportart für ein Belastungsprofil mit sich bringt. Es heißt, wenn ich ausdauernd unterwegs bin, dann brauche ich sicherlich eine kohlenhydratreichere Lebensmittelauswahl, als wenn ich einen höheren Anteil an Technik brauche, an Spritzigkeit an Kraft, da spielen natürlich auch Eiweiße eine wichtige Rolle und nicht die Kohlenhydrat-Überladung. Weil die Glykogenspeicher dann sehr wahrscheinlich nicht ganz so ausgeprägt sind wie bei einem Ausdauerathleten.“
Die Bedeutung von Proteinen
Mit der Nahrung aufgenommenes Eiweiß liefert dem Körper Aminosäuren, aus denen unterschiedliche Eiweißverbindungen gebaut werden, die überall im Körper nötig sind. Sie sind das Material für Regenerationsprozesse und Aufbau, auch für Knochen und Muskulatur, weshalb viele Sportler ihr Hauptaugenmerkt auf die Zufuhr von Proteinen legen.
In Bezug auf die Proteinzufuhr ist dabei nicht nur die Menge der mit der Nahrung aufgenommenen Proteine, sondern auch deren Zusammensetzung entscheidend. Eiweiß ist aus Aminosäuren aufgebaut. Es gibt 21 sogenannte proteinogene Aminosäuren, von denen neun als essenziell bezeichnet werden. Die essenziellen Aminosäuren kann der Körper nicht selbst synthetisieren also herstellen. Sie müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Grundsätzlich ist es dabei erst einmal egal, ob sie aus pflanzlichen oder tierischen Quellen kommen.
Auch Veganer kriegen Muckies
„Die biologische Wertigkeit eines Proteins definiert, wie einfach ein Nahrungseiweiß vom Körper aufgenommen und verwertet werden kann“, sagt Sportwissenschaftler Ingo Froböse. Als Referenzwert für die Beurteilung von Lebensmitteln dient das Hühnerei, da es zum Zeitpunkt der Definition als Proteinquelle mit der höchsten biologischen Wertigkeit angesehen wurde. Seine biologische Wertigkeit wurde auf 100 festgelegt.“
Viele tierische Lebensmittel haben eine höhere biologische Wertigkeit als pflanzliche: Vollei zum Beispiel von 100, Rindfleisch von rund 92, Fisch von 94, Soja hingegen von 84, Bohnen von 72 und Linsen von 60 – aber: „Durch die Kombination verschiedener Eiweißquellen lässt sich eine Wertigkeit sogar von über 100 erzielen. Da dadurch die fehlenden Aminosäuren des einen Lebensmittels durch die eines anderen ergänzt werden.
Bohnen und Mais zum Beispiel kommen auf 101, Vollei und Kartoffeln sogar auf 137.“ Es ist also auch für vegane Sportler*innen durchaus möglich, auf die für sie nötigen Eiweißmengen zu kommen. „Also da wissen wir mittlerweile, dass das gar kein Problem ist, das mit der pflanzlichen Ernährung zu erreichen, wenn ausreichend gegessen wird und auf eine ausreichende Bioverfügbarkeit geachtet wird und wir ausreichend alle Aminosäuren mit an Bord haben", sagt Ernährungswissenschaftlerin Mareike Großhauser.
"Besonders entscheidend ist das Leucin als Trigger-Aminosäure, um eben hier auf molekularer Ebene die Muskelzellen-Neubildung anzutriggern. Und das haben wir beispielsweise auch im Kartoffelprotein. Wir haben es im Mais. Auch Soja liefert das, und von dem her ist das kein Problem.“
Mikronährstoffe und Spurenelemente
Was beim Eiweiß durch eine bewusste Lebensmittelkombination gut zu bewerkstelligen ist, scheint in Bezug auf Mikronährstoffe und auch Spurenelemente etwas komplizierter. So wird empfohlen, dass vegan lebende Menschen ihre Jod-, Eisen- und Vitamin-B12-Werte im Auge behalten. Der Verzicht auf alles Tierische macht in der Sporternährung einen besonders bewussten Umgang mit Lebensmitteln unabdingbar, kann aber auch zum Ausprobieren anregen und zu einer Erweiterung des Speiseplans führen.
„Dazu gehört beispielsweise Jod, insbesondere dann, wenn kein jodiertes Speisesalz verwendet wird, weil eben Meersalz oder Steinsalz kein Jod enthält, weil der Fisch wegfällt", sagt Mareike Großhauser.
"Aber wenn beispielsweise jodhaltige Algen hinzugefügt werden, also die Nori-Alge ist eine Alge mit einem moderaten Jodgehalt, die man hier empfehlen kann, um das auszugleichen, dann ist das auch gut möglich.“ Der Spaß am veganen Kochen und das Interesse für Lebensmittel und deren Inhalt, hat bei BossHoss-Schlagzeuger und Crossfiter Ansgar Freyberg und seiner Familie dazu geführt, dass sie immer mehr neue Lebensmittel-Kombinationen und Gerichte ausprobieren – und darüber ein Kochbuch geschrieben haben. „Vegan Rock you“.