Proteinshakes und Co.

Lecker, aber sinnlos

05:55 Minuten
Ein junger Mann trinkt einen Protein-Shake aus seiner Sportflasche.
Immer mehr Menschen greifen zu Protein-Shakes. Übermäßiger Konsum kann die Nieren belasten, wenn daneben nicht ausreichend Flüssigkeit aufgenommen wird. © imago / Panthermedia
Von Peter Kolakowski · 14.11.2021
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Mit Proteinen hoch angereicherte Produkte bringen den Herstellern Milliarden. Längst greifen nicht nur Profisportler zu ihnen, auch Hobbysportler – und sogar Menschen, die einfach nur abnehmen wollen. Der Nutzen dieser Produkte ist zweifelhaft. Unter bestimmten Umständen sind sie sogar gesundheitsschädlich.
Wer Sport treibt, braucht mehr Eiweiß, um Muskeln zu erhalten oder zu kräftigen. Diese Ernährungsempfehlung machen sich Anbieter von spezieller Sportlernahrung seit jeher zunutze.
Auch für viele, die eher moderat trainieren, ist der Proteinshake nach dem Sport ein Muss. Hinzu kommen Proteinriegel. Bei genauem Hinsehen sind Werbung und Wirkung nichts als Schaumschlägerei, betonen Sportmediziner und Ernährungswissenschaftler.

Der Eiweißbedarf ist niedriger als viele glauben

Denn, wie viel Eiweiß der menschliche Körper genau braucht, darüber gibt es in der Ernährungs- und Sportwissenschaft fundierte Richtwerte. Selbst Leistungssportler benötigen bei Weitem nicht so viel Protein, wie gemeinhin angenommen.

„Der Proteinbedarf ist erstmal eine individuelle Größe und dann gibt es Empfehlungen zur Proteinzufuhr. Die Empfehlungen liegen in der Tat im Bereich von 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht für Normalbürger, die aber auch im Fitnesssport tätig sein dürfen und zwei bis drei sportliche Einheiten die Woche absolvieren. Dann gibt es noch die Gruppe der Hochleistungssportler. Da wird angenommen, dass deren Proteinzufuhr im Bereich von bis zu maximal zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht ist.“

Dr. Hans Braun, Sport- und Ernährungswissenschaftler und Leiter der Abteilung für Sporternährung an der Deutschen Sporthochschule Köln

Helfen proteinreiche Chips beim Abnehmen?

Weil der Markt an Eiweißprodukten im Zuge der Fitnesswelle als äußerst lukrativ gilt, tischen mittlerweile auch andere Anbieter den Verbrauchern Lebensmittel mit extrem hohen Eiweißgehalten auf. Zum Beispiel Suppen, Chips, Backwaren, Puddings, Eis oder Mischgetränke, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl, Pressesprecherin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn:
„Diese Produkte sind aus der Fitnessbranche heraus auch in den Supermarktregalen für den Otto Normalverbraucher gelandet. Protein hat den Vorteil, dass es gut sättigt. Viele Menschen glauben, dass sie mit proteinreichen Lebensmitteln besser abnehmen können. Dann sind das schon 20 Prozent Proteine bezogen auf den Energiegehalt.“

Zu viel Protein belastet die Nieren

Die Hersteller der meist teureren High-Protein-Lebensmittel argumentieren neben einem besseren Sättigungsgefühl auch mit besserer Muskelernährung. Doch aus ernährungsphysiologischer Sicht sind High-Protein-Produkte vollkommen überflüssig. Und bei Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion kann viel Protein sogar problematisch werden.

„Im Hinblick auf gesundheitliche Folgen spielt eine höhere Proteinzufuhr für einen gesunden Menschen wahrscheinlich keine Rolle. Wir können das als gesunder Mensch ganz gut vertragen. Nichtsdestotrotz muss das überschüssige Protein natürlich auch wieder ausgeschieden werden. Dabei entsteht Harnstoff, der über die Nieren ausgeschieden werden muss. Wenn man sich proteinreich ernähert, ist es deshalb wichtig, dass man ausreichend Flüssigkeit zu sich nimmt, um den Harnstoff gut ausscheiden zu können.“

Antje Gahl, Pressesprecherin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

Herkömmliche Ernährung reicht aus

Wer die Vielfalt herkömmlicher Lebensmittel nutzt, bekommt genug Protein und spart sich das Geld für teure Produkte, meint auch Dr. Hans Braun von der Sporthochschule Köln:
„Es macht natürlich keinen Sinn, wenn ich meine 70 bis 80 Gramm Protein sowieso über die Nahrung zu mir nehme. Allein schon 100 Gramm mageres Fleisch hat 20 bis 25 Gramm Protein. Das ist für viele schon ein Drittel des Tagesbedarfs. Im Restaurant oder in der Kantine sind die Steaks oft 200 Gramm schwer, da haben wir dann schon zwei Drittel abgedeckt. Dann kommen noch Milchprodukte dazu. Was häufig unterschätzt wird: Auch über Getreide, also Brötchen, Brot, oder dann vielleicht auch pflanzliche Alternativen wie Hülsenfrüchte, Soja, ist die Proteinversorgung im Regelfall unproblematisch realisiert. Daher gibt es keinen besonderen Grund, diese High-Protein-Produkte zu nehmen.“

Vorsicht bei den Inhaltsstoffen

Hinzu kommt: Viele High-Protein-Produkte sind hochverarbeitete, in Großküchen zusammengesetzte Lebensmittel - oft mit vielen Zutaten. Wer häufig zu diesen Produkten greift, dafür aber weniger andere Lebensmittel wie Gemüse, Obst und Nüsse isst, bekommt beileibe nicht ein Mehr an Gesundheit und Wohlbefinden, sondern ganz im Gegenteil Übergewicht oder andere ernährungsbedingte Krankheiten.
Und das, „wo wir uns doch auch mit wunderbar vielen herkömmlichen Lebensmitteln sehr gut mit Protein versorgen können", sagt dazu Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
"Ich spreche jetzt nicht nur von den tierischen Lebensmitteln, wie Milchprodukten oder Fleisch, sondern auch von Linsen, Erbsen, Haferflocken, Kartoffeln oder den ganzen Sojaprodukten, die durch die vegetarisch-vegane Ernährung hinzugekommen sind, oder auch von Algen, die ebenfalls sehr gut natürlich zur Versorgung beitragen können. Die werden diesen Produkten auch häufig zugesetzt. Wir haben wahnsinnig viele Möglichkeiten, uns über natürliche Lebensmittel sehr gut mit Protein ausreichend zu versorgen.“
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