Journalistin Valeria Dobralskaya

"Nawalny kann der russische Nelson Mandela werden"

35:14 Minuten
Porträtfoto von Valeria Dobralskaya
„Ich bin weder Deutsche noch Russin", sagt Valeria Dobralskaya. © Pavel Ruban
Moderation: Annette Riedel · 07.03.2022
Audio herunterladen
Die in Berlin lebende Journalistin Valeria Dobralskaya arbeitet bei einem russischsprachigen, putinkritischen Kabelsender. Der Angriff auf die Ukraine hat ihre Arbeit sehr verändert. Dass Russlands Präsident bald Geschichte ist, glaubt sie nicht.
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich auch für Valeria Dobralskaya vieles verändert, nicht zuletzt ihr Arbeitsalltag. Die Journalistin ist für den privaten Fernsehsender „OstWestTV“ tätig. Der Kanal hat seinen Sitz in Berlin und sendet in russischer Sprache.
Vor dem Krieg habe man „über bedeutende Ereignisse vor allem in Deutschland und Europa“ berichtet. „Jetzt sehen wir, dass in Russland Kanäle verschwinden. Und jetzt glauben wir, dass es sehr wichtig ist, auch Menschen in Russland darüber zu informieren, was passiert“, sagt sie.

Neue Kollegen aus der Ukraine

Wie viele andere Sender hat auch „OstWestTV“ seine Berichterstatter aus Russland abgezogen. Schuld daran ist das neue russische Gesetz, das hohe Haftstrafen und Geldbußen vorsieht, wenn aus russischer Sicht „Falschmeldungen über den Krieg verbreitet werden“, erzählt Dobralskaya.
In den letzten Tagen habe man einige ukrainische Kollegen hinzugewonnen. Es sind TV-Leute die nach Berlin geflohen sind, so die Journalistin. Das würde bei der Berichterstattung helfen. Allerdings sei es momentan eine enorme Herausforderung, in Russland Gesprächspartner zu finden.
„Ich habe vor Kurzem einen kleinen Artikel geschrieben, dazu musste ich Menschen aus Russland interviewen.“ Das habe früher eine halbe Stunde gedauert, erzählt die TV-Journalistin. In diesen Tagen sei das kaum möglich, weil viele Kanäle zur Kommunikation verschwinden: „So etwas wie Facebook gibt es in Russland gar nicht mehr“.
Valeria Dobralskaya hat deshalb auch einen Vorschlag: „Wenn ihr Menschen in Russland irgendwie erreichen könnt, bietet ihnen an, weil Visa und Mastercard nicht mehr in Russland funktionieren, die Kosten für Kommunikationskanäle zu übernehmen.“

Keine Revolution aus dem Volk zu erwarten

Eine Chance, so die Journalistin, dass die Bevölkerung Putin stürzen könnte, sehe sie nicht, auch wenn Millionen auf die Straße gehen würden. Der Sicherheitsapparat in Russland sei so stark, so gut ausgestattet, „dass es keine Revolution aus dem Volk“ geben könne.
Einen Staatsstreich, etwa durch das Militär, würde sie sich auch nicht wünschen. Valeria Dobralskaya bezweifelt, dass ein solcher Putsch demokratische Strukturen schaffen könne.
Auch wenn die Organisation von Alexej Nawalny „noch irgendwie funktioniert“, viel Hoffnung verbindet die Journalistin damit nicht. Aber, wenn der inhaftierte Putin-Kritiker „in zehn Jahren aus dem Gefängnis kommt, kann er der Nelson Mandela von Russland werden“, sagt sie.

„Ich bin weder Deutsche noch Russin"

Valeria Dobralskaya, in Russland geboren, kam als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland. Sie selbst bezeichnet sich als Russlanddeutsche: „Ich bin weder Deutsche noch Russin. Das betone ich immer wieder gerne, weil es mir eben wichtig ist.“
2014 ging sie zurück nach Russland, arbeitete dort vier Jahre ebenfalls als Journalistin. 2018, vor den Präsidentschaftswahlen, berichtet Dobralskaya über Protestbewegungen, Verhaftungen und auch über die Kundgebungen für Nawalny.
Ihr Mann war als Rechtsanwalt tätig. „Irgendwann wurde es uns einfach unmöglich gemacht, weiter in Russland zu leben. Und von bestimmten Sicherheitskräften wurde uns auch nahegelegt, das Land zu verlassen“, erzählt sie.
Wenn sie schon nicht dort leben könne, würde Valeria Dobralskaya zumindest wieder mal nach Russland reisen wollen. Aber auch das sei momentan unmöglich.
„Mit den aktuellen russischen Gesetzen, zum Beispiel der strafrechtlichen Verbreitung von sogenannten Falschmeldungen über den Krieg, würden mir bis zu zehn Jahre Haft drohen“, sagt sie. „Ich werde in den nächsten Jahren wahrscheinlich nicht nach Russland kommen.“
(ful)
Mehr zum Thema