Urteil gegen KZ-Wachmann

"Mord verjährt nicht"

11:04 Minuten
Ein Galgen auf einem Appellplatz.
Der Galgen auf dem Appellplatz des Konzentrationslagers Sachsenhausen in Oranienburg in Brandenburg. Hier eine Aufnahme um 1960. © picture alliance/dpa/akg-images
Thomas Will im Gespräch mit Nicole Dittmer · 28.06.2022
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Josef S. ist der erste KZ-Wachmann, der für die Massenmorde im Konzentrationslager Sachsenhausen vor einem Gericht zur Verantwortung gezogen worden ist und zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Das Urteil sei richtig, sagt Staatsanwalt Thomas Will.
Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeiten, medizinische Versuche und Misshandlungen waren Alltag im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen nördlich von Berlin. Zehntausende Häftlinge sind dort gestorben. Am Dienstag ist zum ersten Mal gegen einen ehemaligen SS-Wachmann des Lagers ein Urteil gefällt worden. Der 101-jährige Josef S. ist zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Systematische Tötungen im Lager

Thomas Will leitet die "Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltung zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" im baden-württembergischen Ludwigsburg und begrüßt das Urteil.
"Sachsenhausen war ein Konzentrationslager, in dem systematische Tötungen stattgefunden haben. Erschießungen – auch an Genickschussanlagen – und Vergasungen. Da wurden lebensfeindliche Bedingungen geschaffen und aufrechterhalten. Der Verurteilte war dort drei Jahre Wachmann. Er war Rottenführer gewesen, das ist im Vergleich zum normalen Heer Obergefreiter. Er hat sich also bewährt und durch seinen allgemeinen Dienst schwerste Mordverbrechen gefördert. Das Urteil war objektiv ganz sicher richtig und ich muss sagen, das war auch notwendig für die Schaffung von Gerechtigkeit."

Erst die veränderte Rechtsauffassung nach dem Urteil gegen John Demjanjuk im Jahr 2011 habe das Urteil gegen Josef S. ermöglicht, sagt die Historikerin Astrid Ley. Vor dem Demjanjuk-Prozess sei der Nachweis eines individuellen Tötungsverbrechens erforderlich gewesen. Mittlerweile werde ein KZ als "arbeitsteilige Mordmaschinerie" betrachtet und es reiche ein nachweisliches Mitwirken an einem Verbrechen innerhalb dieser Maschinerie.

Keine Altersobergrenze bei Mord

Ob überhaupt einem solch alten Menschen der Prozess gemacht werden muss, spiele in der deutschen Strafprozessordnung keine Rolle, sagt Thomas Will.
„Mord ist ein schwerstes Kapitalverbrechen und verjährt nicht. Aus gutem Grund. Wi haben da eine Pflicht zur Verfolgung. Es gibt dabei auch keine Altersobergrenze. Natürlich muss die Verhandlungsfähigkeit gegeben sein. Aber die wurde ja auch ärztlich festgestellt.“
Dass man heute diese Verbrechen nur noch schwer nachweisen könne, liege daran, dass die Taten so lange zurückliegen und dass man "keinerlei Spurenlage und Zeugen" mehr habe, so Will. "Wir sind darauf angewiesen, aus Dokumenten und aus feststehenden Erkenntnissen zu arbeiten, die über Jahrzehnte geschaffen worden sind."
Die Personalien des verurteilten Josef S. habe man 2018 bei Recherchen im Moskauer Militärarchiv festgestellt, erklärt Thomas Will. Die Zentrale Stelle in Ludwigsburg sei eine Vorermittlungsbehörde, die selbst keine Anklage erheben könne. Die Informationen über Josef S. seien an die Staatsanwaltschaft weitergeben worden, die dann Anklage erhoben habe.

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