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Elon Musks persönliche Titanic?

07:17 Minuten
Twitter-Chef Musks Gesicht im Profil blickt in Richtung des Twitter-Symbols.
Dass Twitter-Eigentümer Elon Musk nun die Werbekunden wegbrechen, beobachte Jan Skudlarek "mit einer gewissen Schadenfreude". © picture alliance / dpa / Adrien Fillon
Jan Skudlarek im Gespräch mit Gabi Wuttke · 06.11.2022
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Für den neuen Twitter-Chef Elon Musk bedeute Freiheit, "dass er machen kann, was er will", sagt Philosoph und Twitter-Fan Jan Skudlarek. Musk verwechsle das mit libertärer Anarchie. Nutzer sollten laut Skudlarek dagegen halten und präsent bleiben.
Der Unternehmer und neue Twitter-Eigentümer Elon Musk baut das soziale Netzwerk nach seinen Vorstellungen um. In einigen englischsprachigen Ländern hat er ein kostenpflichtiges Abomodell inklusive Verifizierungshäkchen eingefüht, außerdem hat er der Hälfte der Twitter-Belegschaft weltweit gekündigt - die er nun teilweise zurückbittet.
"Was Elon Musk unter Freiheit versteht", so Jan Skudlarek, "ist, dass er machen kann, was er will." Jan Skudlarek ist Mitbegründer des PEN Berlin und Philosoph, von ihm stammt das Buch "Wahrheit und Verschwörung" (2021).
Musk hat seiner Meinung nach ein Ego-Problem. Und dass er Ethik- und Menschenrechtsreferenten in seinem Unternehmen gekündigt hat, werfe kein gutes Licht auf ihn. Skudlarek bezeichnet das als "Raubtierkapitalismus, der Ethik, Werte und Normen für Firlefanz hält". Das sei besorgniserregend, "da sollten wir dagegenhalten und präsent bleiben".

Druck durch abziehende Werbekunden

Twitter ist für Jan Skudlarek ein Ort, wo Leute zusammenkommen, sich informieren, aber auch Spaß haben, News teilen. Ihm zufolge findet auf Twitter entgegen der öffentlichen Wahrnehmung auch viel "produktiver" Austausch statt. Nutzer müssten nun produktive Sachdebatten anstreben und die Leute wegblocken, die diese Debatte blockieren. "Das machen wir die ganze Zeit und ich sehe auch keinen Grund, warum wir jetzt damit aufhören sollten, nur weil der CEO Elon Musk heißt."

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"Dass Werbekunden von Musk irritiert sind, kann ich total verstehen", sagt Skudlarek. Dass ihm millionen-, vielleicht sogar milliardenschwere Werbedeals wegbrechen, betrachte er "mit einer gewissen Schadenfreude". "Wenn Werbekunden nicht werben wollen, wo der CEO Freiheit mit libertärer Anarchie verwechselt, dann finde ich das gut", fügt er hinzu. Denn dann entstehe auch ein Druck. Das sei normales rationales wirtschaftliches Handeln.

"Musk wird wahrscheinlich nicht bleiben"

"Heute habe ich wieder dutzende Beleidigungen bekommen", berichtet Philosoph Jan Skudlarek. Es gebe Nutzer, die denken, sie könnten ihn zum Schweigen bringen. "Aber Fakt ist, das können sie nicht. Die schlimmsten Sachen, Hardcore-Beleidigungen, zeige ich an, die landen bei der Staatsanwaltschaft. Da ist Meinungsfreiheit, wie Elon Musk sie sich vorstellt oder manche Klischee-Libertäre in Deutschland, die Beleidigungen und Hassrede mit einschließt, ja Pustekuchen. Wir haben deutsche, wir haben nationale Gesetze."
Dass UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk fordert, Musk müssten Grenzen gesetzt werden, hält Jan Skudlarek für eine "valide Kritik". "Ich denke, dass wir verbale Gewalt online ernst nehmen sollten. Jeder von uns, der auf Twitter teilnehmen will, sollte so teilnehmen können, wie er oder sie es möchte."
Tatsächlich hofft Skudlarek auch, dass Musk aufwache und sehe, er habe sich verkalkuliert. "Es wirkt, als ob er finanziell einen hohen Preis gezahlt hat und jetzt zahlt er ideell einen hohen Preis." Skudlarek könne sich vorstellen, dass Twitter jetzt Musks persönliche Titanic werde - aber nicht die Titanic der Nutzerinnen. "Ich werde bleiben", sagt er. "Und Musk wird wahrscheinlich nicht CEO bleiben, wenn das weiter so schlecht läuft wie jetzt."
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