Tsitsi Dangarembga: "Verleugnen"

Ohne jede Chance

Cover des Romans "Verleugnen" von Tsitsi Dangarembga. Dort ist eine junge schwarze Frau mit hochgebundenen Haaren in Seitenansicht zu sehen.
© Orlanda

Tsitsi Dangarembga

Aus dem Englischen von Anette Grube

VerleugnenOrlanda , Berlin 2022

306 Seiten

24,00 Euro

Von Dina Netz |
Tambu lernt bis zum Umfallen. Doch eine herausragende schwarze Schülerin ist an einer weißen Klosterschule in Simbabwe nicht vorgesehen. Mit grausamer Genauigkeit beschreibt Tsitsi Dangarembga in "Verleugnen", wie das Mädchen immer wieder scheitert.
"Verleugnen", der zweite Band von Tsitsi Dangarembgas Tambudzai-Trilogie, setzt mit einer symbolischen Szene ein. Sie fängt die Zerrissenheit Simbabwes während des Bürgerkrieges in den 1970er-Jahren wie mit einem Brennglas ein: Die Ich-Erzählerin Tambudzai muss an einer "Versammlung" teilnehmen, bei der die Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes, aus dem sie stammt, über ihren Onkel zu Gericht sitzen.
Sein Vergehen: Er leitet eine Missionsschule und ermöglicht seiner Nichte den Besuch einer weißen Klosterschule. War er früher nur der reiche, beneidete Onkel, hat in dem von Spannungen zwischen Schwarzen und Weißen geprägten Land plötzlich alles politische Bedeutung.

Tambu verleugnet ihre Identität

Die Konflikte, die sich aus der angespannten politischen Lage in Simbabwe ergeben, überfordern ein Mädchen, das gerade sein zweites Schuljahr am "Young Ladies' College of the Sacred Heart" begonnen hat, einer von weißen Nonnen geführten Schule. Wie sie es überhaupt dorthin geschafft hat, davon erzählte der erste Band der Trilogie, "Aufbrechen".
Tambu beschließt, das Einzige zu tun, was sie beherrscht: bis zum Umfallen zu pauken. Denn ihr ist klar, dass sie als eine der wenigen Schwarzen unter lauter weißen Klassenkameradinnen nur diese eine Möglichkeit hat: "Ich musste absolut überragend oder nichts sein." Ihre schwarze Identität versucht sie so gut wie möglich zu "verleugnen".

Grausame analytische Genauigkeit

Das Perfide ist - und das durchschauen die Lesenden, aber nicht Tambu selbst -, dass sie ohnehin chancenlos ist. Tambudzai, die von ihrer Familie keinerlei Verständnis oder Unterstützung erfährt, begreift nicht, dass der Fehler nicht bei ihr liegt, sondern im System: Eine herausragende schwarze Schülerin ist an einer weißen Schule nicht vorgesehen. Auch wenn, und das ist besonders absurd, diese Schule in Afrika liegt.
Tsitsi Dangarembga erzählt in diesem beklemmenden Anti-Bildungsroman mit grausamer analytischer Genauigkeit von Tambudzais wiederholtem Scheitern. Am Schluss fragt sich Tambu, welche Perspektive es für sie als "neue Simbabwerin" gibt.
Tsitsi Dangarembga lässt keinen Zweifel daran, dass auch das unabhängige Simbabwe der 1980er-Jahre, in dem die Vorherrschaft der Weißen gebrochen ist, auf eine junge schwarze Frau aus der Unterschicht nicht gewartet hat. Die endgültige Bestätigung dafür liefert der bereits vorab auf Deutsch erschienene dritte Band der Trilogie, "Überleben".

Literarisches und politisches Engagement

Dangarembga, die im vergangenen Jahr mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wurde, hat in Harare ein internationales Frauen-Filmfestival gegründet und setzt sich für Frauenrechte ein. Sie steht derzeit in Simbabwe vor Gericht - dabei habe sie nur, wie sie selbst betont, friedlich gegen Korruption protestiert.
Tsitsi Dangarembgas literarisches und politisches Engagement gehen Hand in Hand. In ihrer Tambudzai-Trilogie analysiert die Autorin genau jene Schwächen Simbabwes, gegen die sie im wahren Leben ankämpft.
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