African Book Festival in Berlin

Kurator Lidudumalingani lässt junge Autoren zu Wort kommen

05:12 Minuten
Der Autor, Fotograf und Filmemacher Lidudumalingani aus Johannesburg steht an einem Rednerpult. Er trägt Brille und Hut.
Hat das 4. African Book Festival in Berlin monatelang vorbereitet: Kurator Lidudumalingani aus Südafrika. Er selbst erhielt schon Preise für seine bildreiche Literatur. © Jörg Kandiziora
Von Kai Adler · 27.08.2022
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Jeden Tag mit einem neuen Gedanken nach Hause gehen: Diesen Anspruch stellt Kurator Lidudumalingali an das African Book Festival in Berlin. Der Südafrikaner ist selbst Autor, Filmemacher und Fotograf. Er erzählt bildreich, denn er kommt vom Radio.
Das Ding. Immer wieder kommt es über sie, ohne Vorwarnung. Es raubt ihr die Sprache und die Autonomie. Das Ding ist beängstigend und unheimlich. Sein Grauen liegt darin, dass es dem, den es befällt, die Fähigkeit nimmt, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden. Das Ding hat selbst keine Sprache. Doch es vermag, Landschaften zu verändern. Es ist eine Landschaft. Eine Krankheit namens Schizophrenie.
„Ich wollte über etwas schreiben, mit dem ich groß geworden bin, um dem allen Sinn zu geben. Ich komme aus einer Gesellschaft, in der psychische Erkrankungen als ein Zeichen von Hexerei angesehen werden. Der Großteil der Eltern kann damit nicht umgehen. So wie in meiner Geschichte die Mutter, die versucht, Worte dafür zu finden, um damit umzugehen."

Eine preisgekrönte Erzählung über Schizophrenie

Das sagt Lidudumalingani über seine 2016 mit dem Cane Prize prämierte Kurzgeschichte „Memories we lost“. Die Ich-Erzählerin: Ein junges Mädchen, das von seiner an Schizophrenie erkrankten Schwester erzählt. Bemerkenswert dabei ist nicht nur das Thema, sondern auch die Sprache: Landschaften tun sich auf und spiegeln das Seelenleben der Protagonisten wider.
Das Unaussprechliche der Krankheit, die selbst zum Sprachverlust der Schwester führt, wird weniger benannt als vielmehr sprachlich und atmosphärisch bebildert. Lidudumalingali:
„Ich bin in einem Dorf groß geworden, umgeben von Landschaft, von Wäldern, von Gras. Wenn ich hinter mein Haus trat, dann tat sich da diese endlose Welt auf – ohne Häuser, ohne Menschen, nichts außer Bergen und Seen und Plantagen. Ich habe Fußball gespielt und gelesen, und es gab wenig außer eben der Schönheit von all dem. In der Stadt, in der ich heute lebe, gibt es das nicht. Da muss ich in den Park gehen, um ein wenig Ruhe zu finden."

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Heute lebt er in Johannesburg. Lidudumalingani wirkt bei unserem Online-Interview aufgekratzt, er spricht lebhaft und erzählt von der literarischen und künstlerischen Szene seines Heimatlandes:
„Ich denke, dass sowohl fiktionale als auch nichtfiktionale Texte in Südafrika wichtig sind, um mit den historischen und kulturellen Ereignissen umzugehen – um die Geschichten unserer Gesellschaft zu erzählen. Schwierig ist, dass es nur einige wenige Verleger im Land gibt und die Auswahl sehr begrenzt ist. Doch es gibt Romane, die die Geschichten der Menschen – und damit meine ich vor allem die der Mehrheit, der Schwarzen Bevölkerung – gut einfangen und erzählen.“
Zum African Book Festival eingeladen sind neben Schriftstellerinnen auch Journalisten und Künstler:innen aus anderen Bereichen. Man wolle verschiedene Aspekte der kreativen Szene zeigen, meint Lidudumalingani. Und vor allem junge Autor:innen sollen zu Wort kommen.

Das Erbe der Apartheid bleibt präsent

„Wenn ich in Kapstadt hinter die Nationalbibliothek gehe, finde ich dort Bänke mit der Aufschrift: Nur für Schwarze. Überall in der Stadt finde ich solche Spuren. Junge Schriftsteller haben also genügend Material, aus dem sie schöpfen können. Es gibt also gewissermaßen keine Post-Apartheid-Literatur, einfach, weil das Erbe der Apartheid immer noch so präsent ist, und auch junge Schriftsteller in einem Raum schreiben, der noch stark davon geprägt ist.“
Er selbst komme aus der Tradition des „Oral Story Telling“, genauer: vom Radio.
„Ich begann, mich für‘s Radio zu interessieren. Dadurch fing ich an, mich für Geschichten zu begeistern. Das führte mich zum Film und zur Fotografie. Das Radio spielt eine wichtige Rolle dabei. Bis heute schreibe ich sehr bildhaft und die Literatur, die ich mag, ist eine sehr bildhafte. Das ist sehr typisch für‘s Radio: Es geht darum, Bilder entstehen zu lassen.“ 

Lidudumalingani ist das erste Mal in Deutschland

Seine Erzählungen lassen Landschaften entstehen, evozieren Bilder. Und seine Fotografien wiederum erzählen Geschichten, sowohl die Porträts, als auch seine Landschaftsaufnahmen. Ob er auch Geschichten und Bilder aus Berlin mitnehmen wird? Er ist gespannt, schließlich ist er das erste Mal in Deutschland. Auf das Festival freut sich der 37-Jährige in besonderer Weise:
„Es hat Monate gebraucht, das Festival zu planen. Ich freue mich natürlich auf die Diskussionen auf der Bühne, aber genauso auf all die anderen Gespräche. Ich bin gespannt auf die verschiedenen Ansichten der Leser und all jener, die zum Festival kommen. Das Programm ist so geplant, dass man jeden Tag mit einem neuen Gedanken nach Hause geht. Darauf bin ich wirklich gespannt.“

Das 4. African Book Festival findet noch bis Sonntag, 28. August, in der Alten Münze in Berlin statt. Unter dem Motto "Yesterday.Today.Tomorrow" gibt es Lesungen, Konzerte, Podiumsdiskussionen, Poetry Performances und Comedy. Schirmfrau ist Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

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