Tropfender Revolutionär

23.01.2012
Action Paiting: diese von ihm mitbegründete Stilrichtung machte Jackson Pollock bekannt. Er wurde nicht alt, 1956 starb er 44-jährig. Anlässlich seines 100. Geburtstages ist nun ein Erinnerungsbuch herausgekommen: Erinnerungen, die Kollegen und Freunde schon 1967 über ihn abgaben.
"Er war der erste amerikanische Künstler, der mit Haut und Haar verschlungen wurde - von Kritikern und Sammlern, ... von den Modemagazinen, den Klatschkolumnisten und dem Rest der PR-Maschinerie", schrieb die Malerin Elaine de Kooning über Jackson Pollock. Und ihre Kollegin Jane Freilicher machte gar einen "kulturellen Fallout" aus angesichts ihrer "Hotelvorhänge mit einem billigen Muster der Marke Pollock."

Beide Statements stammen aus dem Jahr 1967 und sind Teil eines schriftlichen Künstlersymposiums, das die Zeitschrift "Art News" anlässlich der bis dahin größten Ausstellung von Jackson Pollock im Museum of Modern Art veranstaltete. Ziel war, den revolutionären Neuerer der Malerei, der 1956 tödlich verunglückt war, von klischeehaften Zuschreibungen zu befreien.

Denn hinter dem Bild des exzessiv trinkenden und berserkerhaft malenden Cowboys aus dem Mittleren Westen war Pollock sowohl als Mensch wie als Künstler fast verschwunden. Dagegen schrieben 18 Weggefährten und Kollegen an, unter ihnen Barnett Newman, Robert Motherwell und Claes Oldenburg. Zum 100. Geburtstag Jackson Pollocks am 28. Januar 2012 liegt diese Sammlung von Künstlerstatements zum ersten Mal als Buch in deutscher Sprache vor.

Den Anfang macht Barnett Newman, für den Pollock ein Revolutionär war, der das "hohe Ziel" hatte, "ganz von vorne anzufangen und zu malen, als habe es Malerei noch nie zuvor gegeben". Eindringlich beschreiben Robert Motherwell und Adolph Gottlieb dessen "schöpferische Kraft von Wut und Verneinung". Aus einem "vakuumähnlichen Zustand" und einer tiefen Depression, die eine ganze Künstlergeneration in den späten 30er- und frühen 40er-Jahren befallen hatte, hätte Pollock sich geradezu herausgesprengt und sein eigenes künstlerisches Wertesystem gefunden.

Eines, das auch für die Nachfolgenden maßgebend und wegweisend wurde, wie etwa die Worte von Alex Katz belegen: "Ich war wie berauscht. Pollock gab mir die Möglichkeit, dabei zu sein." Und Allan Kaprow geht noch einen Schritt weiter, wenn er bekennt, dass (s)eine Kunstrichtung, das Happening, ohne Pollock gar nicht denkbar wäre.

Auffallend respektvoll gehen die Kollegen mit Pollock um, auch wenn Larry Rivers gesteht, dass er zeitweilig von dessen aufbrausender Art und dem "Wirbel um sein Werk" angewidert war. Liebevoller formuliert Robert Motherwell, der die - durchaus auch Freunde verletzende - Energie Pollocks als Cezanne'sche innere Unruhe beschreibt. Die Schönheit des Raumes habe er ihn gelehrt - allein, der menschliche Preis sei zu hoch gewesen.

Auch 40 Jahre nach ihrem Erscheinen lesen sich diese Statements noch ungeheurer aufschlussreich, sind sie doch einzigartige Quellen. Sie geben einen faszinierenden Einblick in die lebendige und differenzierte New Yorker Kunstszene der Zeit und die Kämpfe, die sie mit und um Pollock ausgefochten hat. Dass diese auch für den Laien nachvollziehbar werden, ist dem ausgezeichneten Nachwort von Kay Heymer zu verdanken, der die Künstler und ihre Positionen kunsthistorisch einordnet.

Besprochen von Eva Hepper

Barnett Newman, Robert Motherwell, Alex Katz und andere: Jackson Pollock - Freund, Kollege, Vorbild, übersetzt von Kurt Rehkopf
Mit einem Nachwort von Kay Heymer
Piet Meyer Verlag, Wien 2012
132 Seiten, 12,80 Euro
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