Gossip für Kunstliebhaber

18.05.2010
Sage niemand, Freiluftmalerei sei eine gefahrlose Angelegenheit. Claude Monet erkannte die Tücken der Pleinair-Malerei, als ihn ein verirrter Diskus, Vorläufer unserer Frisbeescheibe, schwer am Bein verletzte. Nichts ahnend hatte er vor seiner Staffelei in der Natur gestanden.
Paul Cézanne hingegen zerstörte in einem seiner vielen Wutanfälle die eigenen Leinwände mit dem Palettenmesser und warf sie aus dem Fenster. Und Édouard Manet ging mit dem Degen in den Wald von St. Germain, um sich zu duellieren: Ein Kritiker hatte ihn zutiefst beleidigt. Nur drei Anekdoten – von solchen kaum je kolportierten Randereignissen der Kunstgeschichte lebt Elizabeth Lundays Buch, das amüsant und kurzweilig die etwas andere Seite der großen Meister beleuchtet.

Wer wusste, dass Picasso einen ellenlangen Namen hatte (Pablo Diego José Francisco de Paula Juan Nepomuceno María de los Remedios Cipriano de la Santísima Trinidad Clito Ruiz y Picasso); und dass der Mexikaner Diego Rivera (der Ehemann von Frida Kahlo, der diese gleich zwei Mal heiratete) diesen Picasso so sehr verehrte, dass er es ihm namenstechnisch nachtun wollte und sich aufplusterte zu Diego María de la Concepción Juan Nepomuceno Estanislao de Rivera y Barrientos Acosta y Rodríguez?

Wer ahnte, dass Marcel Duchamp sich gern als Frau verkleidete, sich in Damenkleidern Rrose Sélavy nannte und 1953 mit derjenigen vermählte, die vor ihm schon der Kunsthändler Pierre Matisse, Sohn von Henri Matisse, geehelicht hatte? Was ist davon zu halten, dass Georgia O'Keefe am liebsten nackt den Pinsel schwang und in Andy Warhols Factory 1968 beinahe tödliche Pistolenschüsse fielen? Alles Klatsch? Ja, ohne Zweifel.

Aber nicht zuletzt ein Roman wie John Updikes ironisches Jackson-Pollock-Porträt "Sucht mein Angesicht" hat gezeigt, dass wir hinter den großen Malern – heißen Sie nun Munch oder Vermeer – immer auch die menschliche Seite zu entdecken suchen. Warum nur hatte Caravaggio, ein verurteilter Mörder immerhin, diese Vorliebe fürs Dekapitieren? Nicht weniger als zwölf seiner Bilder zeigen Figuren, die entweder enthauptet sind oder kurz davor stehen, ihren Kopf zu verlieren. Begann nicht schon bei Albrecht Dürer die perfekte Selbstvermarktung?

Diesen Fragen spürt Elizabeth Lunday in ihrer unterhaltsamen Geschichten-Sammlung nach, die das Leben großer Künstler so frech abhandelt, dass dabei Sätze wie dieser herauskommen: "Leonardo da Vinci war ein Musterbeispiel für ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom). Er war stets abgelenkt, verlor schnell das Interesse, eilte von einem Projekt zum nächsten und machte nur selten etwas fertig." Rasch fertig hingegen ist Lunday: Nicht mehr als acht Seiten braucht sie, um prägende Momente im Leben Francisco de Goyas Revue passieren zu lassen.

In der Methode erinnert das von ferne an John Aubreys berühmtes Kurzbiografien-Kompendium "Brief Lives". Zwar wird Elizabeth Lunday Kunstkennern wenig Neues vermitteln, und selbstverständlich will ihr Buch nicht zu ernst genommen werden. Aber das ewige Verlangen von Kunstliebhabern nach Gossip bedient es vorzüglich. Ein gründlicheres Lektorat wäre zu wünschen gewesen.

Besprochen von Knut Cordsen

Elizabeth Lunday: Die großen Künstler und ihre Geheimnisse
Mit Illustrationen von Mario Zucca
Aus dem Amerikanischen von Stephan Pörtner
Walde + Graf Verlag, Zürich 2010
303 Seiten, 19,95 Euro