Triviale Tragik und restaurativer Mief
Vanessa ist eine Frau in mittlerem Alter, die sich in ihr Landhaus zurückgezogen hat und dort auf ihren einstigen Geliebten wartet. In Frankfurt wird Samuel Barbers trübe Mischung aus Puccini-Nachfolge und Hollywood-Anklängen dröge und ironiefrei reaktiviert.
Samuel Barber (1910–1981) schrieb zwei Opern. "Antony and Cleopatra" bescherte der Metropolitan Opera 1966 ein Desaster (und ist heute gründlichst vergessen). Ein wenig besser erging es der acht Jahre zuvor vom selben Unternehmen auf den Markt gebrachten "Vanessa". Die zeitigte nicht nur einen veritablen Erfolg in New York – immerhin erhielt das stockkonservative Haus 1958 endlich wieder einmal eine "Novität". Die Weltmacht USA mit ihren gewissen kulturellen Minderwertigkeitskomplexen gegenüber merry old Europe und insbesondere der auf allen Gebieten rivalisierenden anderen Supermacht Sowjetunion feierte "enthusiastisch" so etwas wie eine "Nationaloper". Doch alsbald, bei den Salzburger Festspielen, fiel der veristisch grundierte und von spätromantischem Sound getragene Nachzügler durch. Jetzt hat das von Bernd Loebe geleitete Frankfurter Opernhaus in Kooperation mit der Malmö Opera einen neuen Anlauf unternommen, Vanessa in Mitteleuropa heimisch zu machen.
Der Plot stammt von Tania Blixen und wurde von Barbers Lebensgefährten Gian Carlo Menotti zum Libretto aufbereitet. Menotti orientierte sich dabei an Modellen des New Yorker Boulevardtheaters, das in den 50er-Jahren ja ein starkes Faible für Ehe- und Beziehungsproblemstücke ausprägte: Vanessa ist eine Frau in mittlerem Alter, die sich in ihr luxuriöses Landhaus hoch im Norden Skandinaviens zurückzog und dort mit einer fast gänzlich verstummten Mutter und einer noch unerblühten jungen Nichte wartet – auf ihn, der sie wegen einer anderen zurücksetzte, und den sie immer noch mit alter Frische zu lieben glaubt. Überhaupt lebt sie ganz der Erhaltung des Status quo ante.
Katharina Thoma inszenierte dies Warten in der wohlhabend-wohlbehüteten Innenwelt gerahmt von einem kühl möblierten Salon, wie er um die Wende zum 20. Jahrhundert gang und gäbe war. Von seitwärts schieben sich Eisschollen aufs Parkett bis kurz vor den Flügel, an dem Nichte Erika die Zeit überbrückt (und in dem sie sich später zeitweise verkriecht). Das Winterbild, gelegentlich von Pantomime bespielt, verweist überdeutlich auf erkaltete menschliche Verhältnisse. Die versprechen sich erst einmal zu erwärmen, in dem Anatol aufkreuzt. Es ist zwar nicht der von Vanessa so sehnlichst erwartete Mann ihrer glücklichen Stunden, sondern dessen Sohn. Er heißt auch Anatol und stammt von jener "anderen", die ihr so viel Herzschmerzen bereitete. Er schickt sich an, den aktuell zu Verfügung stehenden Frauen in ähnlicher Weise Ungemach bereitet wie sein verstorbener Altvorderer 20 Jahre zuvor: Er verführt Erika gleich in der Nacht seines Auftauchens, schwängert sie unverzüglich, wendet sich dann aber Vanessa zu. Die setzt sich diesmal durch und gewinnt den leichtlebigen Burschen, der ihr Sohn sein könnte, und bricht mit ihm nach Paris auf – Erika aber bleibt in ihrer bisherigen Rolle zurück als die wartend Leidende und sich Verhärtende.
Die Sopranistin Charlotta Larsson konkurrierte als Vanessa gegen die Mezzosopranistin Jenny Carlstedt, der das Frankfurter Publikum mit seiner Sympathiebekundung klar den Vorrang einräumte. Doch bieten beide Partien nicht allzu große Möglichkeiten, auf den Flügeln höherer Gesangskünste abzuheben: Die Stimmen kleben an den dröge volkstümelnden Hit-Melodien wie verirrte Schmetterlinge an einem Leimstreifen. Indem die Regisseurin Barbers Oper eins zu eins als Konversationsstück und dessen triviale Tragik ironiefrei zeigte, wurde nicht erkennbar, warum diese allzu zeitbedingte und ortsverhaftete Bühnenkunst heute wieder von nennenswertem Interesse sein könnte.
Wäre es um die musiktheatrale Erkundung des Wartens gegangen, hätte sich Arnold Schönbergs "Erwartung" als musikalisch ungleich stringentere Arbeit angeboten – oder die Vergabe eines Kompositionsauftrags, dessen Resultat die ungemütlichen Zustände des Wartens und Gewartetwerdens mit heutigen Mitteln auslotet. Barbers Theatermusik, um deren Zusammenhalt sich der Kapellmeister Jonathan Darlington redlich mühte, ist und bleibt eine trübe Mischung aus Puccini-Nachfolge und Hollywood-Anklängen, Anleihen bei der akademischen neuen Musik der 50er-Jahre und Zitaten aus großer Opernliteratur von Mussorgski bis Alban Berg.
Die Reaktivierung dieser epigonalen Musik von vorgestern zu einer jugendfrei aufbereiteten Frauenschicksalsgeschichte aus der Urgroßmütterzeit verrät nicht nur eine bemerkenswerte Unsicherheit der Verantwortlichen in Geschmacksfragen. Die apologetisch als Saisonauftakt an der einst fürs Neue so bedeutsamen Frankfurter Oper präsentierte "Vanessa" ist ein polemisches Bekenntnis zum restaurativen Mief.
Informationen der Oper Frankfurt zur Inszenierung von "Vanessa"
Der Plot stammt von Tania Blixen und wurde von Barbers Lebensgefährten Gian Carlo Menotti zum Libretto aufbereitet. Menotti orientierte sich dabei an Modellen des New Yorker Boulevardtheaters, das in den 50er-Jahren ja ein starkes Faible für Ehe- und Beziehungsproblemstücke ausprägte: Vanessa ist eine Frau in mittlerem Alter, die sich in ihr luxuriöses Landhaus hoch im Norden Skandinaviens zurückzog und dort mit einer fast gänzlich verstummten Mutter und einer noch unerblühten jungen Nichte wartet – auf ihn, der sie wegen einer anderen zurücksetzte, und den sie immer noch mit alter Frische zu lieben glaubt. Überhaupt lebt sie ganz der Erhaltung des Status quo ante.
Katharina Thoma inszenierte dies Warten in der wohlhabend-wohlbehüteten Innenwelt gerahmt von einem kühl möblierten Salon, wie er um die Wende zum 20. Jahrhundert gang und gäbe war. Von seitwärts schieben sich Eisschollen aufs Parkett bis kurz vor den Flügel, an dem Nichte Erika die Zeit überbrückt (und in dem sie sich später zeitweise verkriecht). Das Winterbild, gelegentlich von Pantomime bespielt, verweist überdeutlich auf erkaltete menschliche Verhältnisse. Die versprechen sich erst einmal zu erwärmen, in dem Anatol aufkreuzt. Es ist zwar nicht der von Vanessa so sehnlichst erwartete Mann ihrer glücklichen Stunden, sondern dessen Sohn. Er heißt auch Anatol und stammt von jener "anderen", die ihr so viel Herzschmerzen bereitete. Er schickt sich an, den aktuell zu Verfügung stehenden Frauen in ähnlicher Weise Ungemach bereitet wie sein verstorbener Altvorderer 20 Jahre zuvor: Er verführt Erika gleich in der Nacht seines Auftauchens, schwängert sie unverzüglich, wendet sich dann aber Vanessa zu. Die setzt sich diesmal durch und gewinnt den leichtlebigen Burschen, der ihr Sohn sein könnte, und bricht mit ihm nach Paris auf – Erika aber bleibt in ihrer bisherigen Rolle zurück als die wartend Leidende und sich Verhärtende.
Die Sopranistin Charlotta Larsson konkurrierte als Vanessa gegen die Mezzosopranistin Jenny Carlstedt, der das Frankfurter Publikum mit seiner Sympathiebekundung klar den Vorrang einräumte. Doch bieten beide Partien nicht allzu große Möglichkeiten, auf den Flügeln höherer Gesangskünste abzuheben: Die Stimmen kleben an den dröge volkstümelnden Hit-Melodien wie verirrte Schmetterlinge an einem Leimstreifen. Indem die Regisseurin Barbers Oper eins zu eins als Konversationsstück und dessen triviale Tragik ironiefrei zeigte, wurde nicht erkennbar, warum diese allzu zeitbedingte und ortsverhaftete Bühnenkunst heute wieder von nennenswertem Interesse sein könnte.
Wäre es um die musiktheatrale Erkundung des Wartens gegangen, hätte sich Arnold Schönbergs "Erwartung" als musikalisch ungleich stringentere Arbeit angeboten – oder die Vergabe eines Kompositionsauftrags, dessen Resultat die ungemütlichen Zustände des Wartens und Gewartetwerdens mit heutigen Mitteln auslotet. Barbers Theatermusik, um deren Zusammenhalt sich der Kapellmeister Jonathan Darlington redlich mühte, ist und bleibt eine trübe Mischung aus Puccini-Nachfolge und Hollywood-Anklängen, Anleihen bei der akademischen neuen Musik der 50er-Jahre und Zitaten aus großer Opernliteratur von Mussorgski bis Alban Berg.
Die Reaktivierung dieser epigonalen Musik von vorgestern zu einer jugendfrei aufbereiteten Frauenschicksalsgeschichte aus der Urgroßmütterzeit verrät nicht nur eine bemerkenswerte Unsicherheit der Verantwortlichen in Geschmacksfragen. Die apologetisch als Saisonauftakt an der einst fürs Neue so bedeutsamen Frankfurter Oper präsentierte "Vanessa" ist ein polemisches Bekenntnis zum restaurativen Mief.
Informationen der Oper Frankfurt zur Inszenierung von "Vanessa"