Tourismusforscher Stefan Gössling

Wie ist nachhaltiger Tourismus möglich?

Am Stechlinsee geht die Sonne unter, ein Mensch sitzt am Ufer auf der Bank, einer liegt auf dem Rasen, einer steht im Wasser
Ohne Flugzeug zur Erholung: Sonnenuntergang am Stechlinsee in Brandenburg: © picture-alliance / dpa / Jens Kalaene
Stefan Gössling im Gespräch Gisela Steinhauer |
Die Sommerferien sind vorbei, doch nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub. Und der kann teuer werden für die Umwelt. Lassen sich Erholungsbedürfnis und Nachhaltigkeit in Einklang bringen lassen?
Die Sommerferien sind vorüber, die meisten Berufstätigen zurück an der Arbeit, die Kinder in der Schule. Und viele planen schon wieder die nächste Reise. Nicht umsonst gelten die Deutschen als besonders reiselustig. Etwa jeder vierte Deutsche unternahm 2016 zwei Urlaubsreisen, jeder zehnte war sogar dreimal oder öfter unterwegs.
Laut der Internationalen Tourismusorganisation UNWTO waren im letzten Jahr weltweit 1,235 Milliarden Menschen auf Reisen. Während diese Zahlen die Tourismusindustrie erfreuen, warnen Klima- und Naturschützer längst vor den schädlichen Folgen des Reisebooms. Um die abzumildern, hat die die UNO 2017 zum "Internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus für Entwicklung" erklärt.

Auswirkungen werden sich verdoppeln

"Die Ressourcennutzung des Tourismus übersteigt gegenwärtig die natürlichen planetaren Grenzen der Erde", sagt Stefan Gössling, Professor für Tourismusforschung und Humanökologie an den schwedischen Universitäten Linnaeus und Lund. Er arbeitet seit 1994 zum nachhaltigen Tourismus, mit Schwerpunkten auf den Bereichen Verkehr, Mobilität, Energie und Wasser. "In Hinblick auf den Verbrauch von Energie und die CO2-Emissionen, den Wasserverbrauch, die Landnutzung und den Nahrungsmittelbedarf werden sich die Auswirkungen des Tourismus innerhalb von 25 bis 45 Jahren verdoppeln." Eine einzige Flugreise bedeute so viel Klimabelastung, wie ein durchschnittlicher Weltbürger im Laufe des Jahres verursacht.
Portraitfoto von Prof. Dr. Stefan Gössling
Stefan Gössling© Meike Rinsche
Gössling ist aber nicht nur ein unermüdlicher Mahner; er möchte die Tourismusindustrie und die Reisenden zum Umdenken bewegen. "Wir sind zum ersten Mal im Tourismus an einem Punkt, wo es tatsächlich zu viel wird. Einzelne Destinationen fangen an, ihn zu hinterfragen: Barcelona, Venedig – dort gibt es massiven Widerstand gegen den Übertourismus. Die Städte sind nicht mehr lebenswert."
Seine Gegenstrategie: "Weniger ist mehr – und einige Destinationen fangen ja auch an, umzusteuern. Wenn sie schlau wären, könnten sie aus einem kleineren Tourismussystem mehr rausziehen. Aber noch redet man über Wachstum – und nicht über Qualität."

Juist gilt als Vorbild

Er verweist auf positive Bespiele wie Juist: Spätestens 2030 soll die Nordseeinsel klimaneutral sein. Bis dahin sollen die rund 20.000 Tonnen CO2, die Hotels, Handel, Dienstleister, Gäste und Einwohner jährlich ausstoßen, auf null sinken. "Man kann sehr viel tun, um den Beitrag des Tourismus auf das Klima gering zu halten: Weniger Müll, die Gäste zur umweltfreundlicheren Anreise bewegen, möglichst kleine Kreisläufe." Seine Mahnung: "Wir müssen lernen, mit unserem persönlichen Energie-Budget zu leben. Und das heißt beim Reisen, grob gesagt: nähere Destinationen und längere Aufenthalte."

Wie ist also nachhaltiges Reisen möglich? Darüber diskutiert Gisela Steinhauer am Samstag von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit dem Nachhaltigkeitsforscher Stefan Gössling. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.

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