Topmanagerin zur künftigen Ampel-Politik

"Auf geht's - anpacken!"

29:41 Minuten
07.10.2021, Borkwalde, Brandenburg, Die Ampelkoalition ist mit Kugelschreibern in den Ampelfarben dargestellt.
Transformation, Modernisierung, Zukunftsfähigkeit. Daran soll sich die Ampel-Politik ausrichten. Das ist ganz im Sinne der Managerin Christine Bortenlänger. © picture alliance / Sascha Steinach
Moderation: Annette Riedel · 30.10.2021
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Die Ampelparteien benutzen gern und viel die Worte: Transformation, Modernisierung, Zukunftsfähigkeit. Daran soll sich die zukünftige Koalition ausrichten. Das ist zwar ganz im Sinne der Managerin Christine Bortenlänger, aber es geht um die Umsetzung.
Sie sei zunächst skeptisch gewesen, ob eine Ampel-Koalition Deutschland voranbringen kann, sagt Christine Bortenlänger. Aber, gemessen an den Ergebnissen der Sondierungsgespräche, "lässt sich das doch jetzt eigentlich gut an", so die Managerin. Alle drei Parteien - SPD, Grüne und FDP - stünden unter erheblichem Erfolgsdruck. Allen sei bewusst, dass "Scheitern keine Option ist". Sie hoffe, dass man bei der Umsetzung von Vorhaben besser werde. Der Nachholbedarf sei groß, etwa auch im Bildungsbereich: "Auf geht’s - anpacken!"

"Ich traue das der Ampel zu"

Sie sehe eine Chance darin, so die promovierte Betriebswirtin, dass die sehr verschiedenen Parteien sehr unterschiedliche Themen einbringen. Selbst wenn die Gefahr durchaus bestünde, erwarte sie nicht, dass das zu einer "Weder-noch-Politik" führe. Sie traue einer Ampel-Koalition zu, dass sie die wichtigen Themen tatsächlich angehe.
"Ich bin ein großer Verfechter von marktwirtschaftlichen Lösungen". Sie hoffe, dass sich ihre Befürchtungen nicht bestätigten, dass der Staat, etwa bei der Klimapolitik, weitere Kompetenzen an sich ziehen könnte. Der Staat dürfe die Bürgerinnen und Bürger nicht wie in der Coronapolitik mit viel Geld auf Dauer wie "eine wohlwollende Mutter an allen Ecken und Enden versorgen".

Kein digitales Superministerium

Um die in Deutschland eher schleppende Digitalisierung voranzutreiben, würde die Managerin nicht auf ein Superministerium für Digitales setzen. Das würde sich "schwertun". Vielmehr gehe es darum, dass in allen Ministerien eine "klare Verantwortung" für die digitale Transformation geschaffen würde.
Das sei eine Aufgabe, die die unterschiedlichsten Fachbereiche tangiere - flächendeckender Netzausbau, Bildung, Verwaltung, Forschung, Verkehr usw. Insofern müsse das Thema in der neuen Bundesregierung eine echte "Querschnittsaufgabe" für alle Ministerien sein.

Privates Kapital für den Klimaschutz

Was den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft für ein post-fossiles Zeitalter angeht, störe sie die "Denke der Grünen". Sie gingen zu sehr davon aus, "dass der Staat all diese Dinge vorschreiben und teilweise auch finanzieren muss", sagt Bortenlänger.
Die Topmanagerin Christine Bortenlänger,. 
Christine Bortenlänger ist skeptisch, dass die Rolle des Staates zu groß sein könnte und setzt stärker auf Privatkapital. © picture alliance / dpa / Tobias Hase
Vielmehr müsse für die Herausforderungen mehr privates Kapital hinzugewonnen werden. "Es ist viel Kapital verfügbar". Der Staat könne denjenigen Unternehmen unter die Arme greifen, die sich mit der Transformation entweder "schwer tun" oder sich am privaten Markt nicht ausreichend mit Krediten versorgen könnten. "Das Wichtigste wird aber sein, dass der Staat nicht generell entscheidet, was gut und richtig ist."

Schneller streiten

Der Abbau klimaschädlicher Subventionen dürfte – so ihre Sicht – ein strittiges Thema sein, weil unterschiedliche Interessenlagen vorhanden seien und dabei auch soziale Fragen nicht ignoriert werden dürften. "Was auf jeden Fall her muss, sind schnellere Genehmigungsverfahren", fordert die Managerin. Sonst seien etwa die erneuerbarer Energien nicht in dem nötigen Tempo ausbaubar.
Zwar habe sie Verständnis dafür, wenn Menschen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft kein Windrad haben wollten. Über diese Dinge müsse offen diskutiert und gegebenfalls auch gestritten werden. Aber um die Verfahren insgesamt zu beschleunigen, "müssen wir ein bisschen schneller streiten in Zukunft." Den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, fände sie "gewagt", so Bortenlänger. Die Koalitionäre sollten "bitte noch mal nachrechnen", ob der Ausbau der Erneuerbaren bis dahin gelingen kann.

Stabile Renten als wichtigstes Thema

Die Rente zukunftssicher zu machen, das sei für sie "das allerwichtigste Thema, um sozialen Frieden und vor allem Auskommen im Alter für alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen", sagt die Managerin. Sie sei froh, dass der Einstieg in eine Kapitaldeckung bei der gesetzlichen Rente einen breiten Raum im Sondierungspapier von SPD, Grünen und Liberalen einnehme.
Andere Länder hätten vorgemacht, dass sich so stabilere Renten mit höheren Renditen sichern ließen. Wenn sich dauerhaft ein Renten-Niveau von 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes halten lasse, dann nur wenn zumindest Teile über eine Kapitaldeckung finanziert würden. Dazu Bortenlänger: "Mir wäre wichtig, dass hier auch wettbewerblich angeboten werden kann. Weil, Wettbewerb fördert die Besten. Das wünsche ich mir für die Anlage der Bürger."

Ein Finanzminister "mit breiter Brust" muss her

Ein stabiler Staatshaushalt sei wichtig. Gerade weil bei den anstehenden Reformen viel Geld in die Hand genommen werden müsse, brauche der Bundesfinanzminister ein "starkes Rückrat" und eine "breite Brust", fordert Bortenlänger.
Natürlich gebe es - wie im Privaten auch - "gute Gründe, sich zu verschulden." Aber dabei dürfe nicht aus den Augen verloren werden, dass man nur in das investieren dürfen, "was einem ermöglicht, auch langfristig Schulden zu bezahlen, zurückzuzahlen". Insofern müssten Schulden immer "klug und maßvoll" sein.

Christine Bortenlänger ist seit 2012 Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts, (DAI), Interessenvertretung und Think Tank deutscher börsennotierter Unternehmen. Sie ist zudem Mitglied in mehreren Aufsichtsräten, unter anderem bei Siemens. Bevor sie zum DAI wechselte, war sie seit 2000 Vorstand der Bayerischen Börsen AG und Geschäftsführerin der öffentlich-rechtlichen Börse München.

Sie war damit die erste weibliche Führungskraft einer deutschen Börse. Die 1966 geborene Betriebswirtin absolvierte zunächst eine Banklehre bei der Bayerischen Vereinsbank in München, bevor sie ihr Studium an der Münchner Ludwig Maximilian Universität aufnahm, das sie 1996 mit einer Promotion abschloss. Vor den letzten Bundestagswahlen formulierte Bortenschläger, gemeinsam mit fünf weiteren einflussreichen Managerinnen, unter dem Titel "Was Deutschland jetzt braucht", wirtschaftspolitische Forderungen an eine künftige Bundesregierung.

(anri)
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