Tom Burgis: "Der Fluch des Reichtums"

Wie Konzerne und Warlords Afrika bestehlen

Schwarze Arbeiter sitzen, stehen und laufen auf einer hügeligen Oberfläche am Rande der Mine. Die Luft ist staubig. Einige Arbeiter halten Schaufeln in den Händen.
Begehrter Bodenschatz: In einer Mine in der Demokratischen Republik Kongo wird das Mineral Coltan abgebaut. © AFP / Junior D. Kannah
Von Marko Martin · 12.11.2016
Das Geschäft mit geraubten Bodenschätzen ist verhängnisvoll für Menschen und politische Systeme in Afrika. Mit seinem Buch deckt der Journalist Tom Burgis Strukturen auf, die dieses Geschäft ermöglichen; und macht Machtkonstellationen sichtbar, die bisher der Öffentlichkeit größtenteils verborgen waren.
Es dauerte eine Weile, bis seine Ärzte herausfanden, weshalb Tom Burgis sich seit Monaten unwohl fühlte und unter Schlaflosigkeit litt: Der Auslandsreporter der "Financial Times" hatte eine sogenannte posttraumatische Belastungsstörung, Resultat seines langjährigen Aufenthaltes in Afrika, wo er in Johannesburg und im nigerianischen Lagos für die "FT" tätig gewesen war.
Sein daraufhin entstandenes Buch "Der Fluch des Reichtums" ist dennoch keine gefühlige Aufarbeitungs-Prosa, die gängige Lesererwartungen mit Schreckensgeschichten und hilflosen Humanismus-Appellen bedienen würde.

Skandalös ungerecht verteilter Reichtum

Cover - Tom Burgis: "Der Fluch des Reichtums"
Cover - Tom Burgis: "Der Fluch des Reichtums" © Westend Verlag
Im Gegenteil: Obwohl Burgis im Ost-Kongo und in Kenia schockierter Zeuge von Massakern wurde, die man in westlichen Medien zu voreilig "tribalistischem Hass" zuschrieb, geht es ihm eher um die Strukturen dahinter, um das große Zugriffs-Geschäft mit den immensen Bodenschätzen des Kontinents. Denn nicht allein, dass der aus Öl- und Gold-Exporten entstandene Reichtum skandalös ungerecht verteilt ist und – neben den europäischen, US-amerikanischen und chinesischen Konzern-Profiteuren – vor allem eine schwerreiche einheimische Kleptokratie geschaffen hat:
"Es bricht vor allem der ungeschriebene Vertrag zwischen Regierenden und Regierten zusammen, weil die Herrschenden zur Finanzierung von Staat und Regierung nicht mehr auf die Besteuerung und daher auch nicht mehr auf die Zustimmung der Menschen angewiesen sind. Während Dollars zum Kauf von Rohstoffen ins Land strömen, wird der Rest der Wirtschaft deformiert."

Raffgier statt politischer Teilhabe

Die Verarmten werden mit Geldern aus der Regierungsschatulle abgespeist, was wiederum Begehrlichkeiten weckt – die nicht etwa auf bürgerlich-politische Teilhabe, sondern auf Partizipation am großen Raffen zielen. Burgis' Verdienst ist es, ohne moralistisches Tremolo diese verhängnisvollen Strukturen aufgedeckt zu haben – und dabei weit mehr zu liefern als lediglich pittoreske Schilderungen über den im wahrsten Wortsinn tiefen und schmutzigen Graben zwischen der Residenz des angolanischen Dauerpräsidenten dos Santos und den Slumgebieten der Hauptstadt Luanda.
Der investigative, doch geradezu kühl schreibende Reporter ist nämlich auch an der gediegenen Wall Street und der Londoner Börse vorstellig geworden und hat in Hongkong einen milliardenschweren Festland-Chinesen namens Sam Pa ausfindig gemacht, den er als "Baron des afrikanischen Rohstoffhandels" bezeichnet. Biografien und kunstvoll kaschierte Machtkonstellationen, die bisher der Öffentlichkeit größtenteils verborgen waren, kommen dadurch ans Licht. Das ist nicht wenig, und auch wenn der Autor keine einfachen Lösungen feilzubieten weiß, bleibt für uns zumindest als notwendige Beunruhigung der Satz einer jungen Nigerianerin: "Denkt nur nicht, ihr hättet damit nichts zu tun."

Tom Burgis: Der Fluch des Reichtums. Warlords, Konzerne, Schmuggler und die Plünderung Afrikas
Aus dem Englischen von Michael Schiffmann
Westend Verlag, Frankfurt am Main 2016
351 Seiten, 24 Euro

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