"Tintentod" als Hörspiel

Suggestiver Sog für die Ohren

Die Kinderbuch-Autorin Cornelia Funke
Die Kinderbuch-Autorin Cornelia Funke © picture alliance / dpa / Foto: Angelika Warmuth
Von Susanne Billig |
Längst haben die Tintenwelt-Bücher von Cornelia Funke die Welt erobert. Nun ist die dritte Folge der Hörspiel-Adaption erschienen. Und sie ist so gut, dass sie prompt für den Kinderhörbuchpreis "BEO" nominiert wurde.
Tintenherz, Tintenblut, Tintentod - mit ihrer wuchtigen Fantasy-Trilogie konnte die westfälische Schriftstellerin Cornelia Funke, deren Wahlheimat längst in Kalifornien liegt, weltweit ein Millionenpublikum für sich begeistern. Es geht um mittelalterliche Burgen in düsterer Nacht, um Treue, Liebe und Verrat, um die Macht des Lesens und der Fantasie, aufopferungswillige Väter und loyale, aber eigensinnige Töchter, junge Prinzen und klopfende Mädchenherzen:
"Das sind die Kinder von Minerva. Der Tintenweber wohnt bei ihr unterm Dach. Wolkentänzer wurde vor ihrer Tür..."
"Er meint die Schreckschraube in dem roten Kleid und das Milchgesicht mit den Doppelaugen!"
"Der kleine Mann mit der Brille bei Baptista - nein, das kann nicht sein! Anscheinend sehe ich schon Gespenster!"
Man muss schon vertraut sein mit den Tintenwelten, um hier den Anschluss zu finden. Eine Erklärung "Was bisher geschah" gibt es nicht. Doch wer ihnen schon einmal begegnet ist, dem Buchbinder Mortimer, der über die seltsame Gabe verfügt, mit seiner Vorlesestimme Figuren aus Büchern in die Wirklichkeit herauslesen zu können und sich selbst samt Ehefrau und Tochter in die Buchwelt hinein, wer die abenteuerlustige Meggie kennt und die Finsterlinge Capricorn und Staubfinger, den Schatten und all die anderen abgründigen Gestalten, der findet den Einstieg in das Hörspiel leicht.
Denn Regisseur Frank Gustavus inszeniert sein Werk mit einem suggestiven akustischen Sog, dem man sich kaum entziehen kann.
"Ein Riese brach durch das Unterholz. Er sah nicht ganz so aus, wie Fenoglio ihn sich beim Schreiben vorgestellt hatte, aber er er erfüllte seinen Zweck."
Als mächtig-überbordendes Klangerlebnis legen Komponist Jan-Peter Pflug und Sounddesigner Kay Poppe dieses Hörspiel an. Die Tracks der beiden CDs fließen nahtlos ineinander und keine der 151 Minuten vergeht ohne magische Melodien, wispernde Stimmen oder wütende Orchesterwucht, vermengt mit den Geräuschen, Schritten, Kampfszenen der Geschichte und den Künsten des Schauspieler-Ensembles.
"Zeigt euch, Töchter des Todes! Ihr erinnert euch an mich, oder? Damals, vor Capricorns Festung. An die Höhle, in die ihr mir gefolgt seid. Und daran, wie schwach mein Herz gegen eure weißen Finger schlug."
Die Sprecher der Figuren beherrschen die Klaviatur aus Flüstern, Krächzen und Zornesschreien
Ob Leonie Landa als Meggie, Robin Brosch als Mortimer, Rainer Strecker als Staubfänger– sie alle beherrschen die Klaviatur zwischen Flüstern, Krächzen und Zornesschreien, dass es ein Gruseln ist. Als klug gesetzter Kontrapunkt schwebt Sprecher Stephan Schad in kühler Leidenschaft über dem Soundmix. Die Handlungsfäden der Geschichte, durch die der Sprecher führt, wurden für das Hörspiel verschlankt, ohne die Komplexität des Buches zu verraten.
"Der Pfeifer zog plündernd und mordend von Hof zu Hof und schrieb sich die Größen und Namen der Kinder auf. Es hieß, sie sollten in die Silberminen der Natter geschickt werden. Lebend würde keines von ihnen zurückkehren. Das wusste jeder hier. Und so wuchsen Angst und Missmut."
Zu Recht steht das opulente Hörspiel "Tintenblut" derzeit auf der Shortlist des BEO Kinderhörbuchpreises. Eines sei allerdings hinzu gesagt: Wenn Kinder ab zwölf Jahren schon für die düsteren Bücher Cornelia Funkes ein Faible für das Horrorgenre und ruhig Blut brauchten, dieses Hörspiel nun setzt in Sachen "Grauen" noch eins obendrauf: spannend, aber nur etwas für starke Nerven.
"Ohne mich wird nichts geboren; denn nichts stirbt ohne mich. Du aber hast meine Arbeit gestört, Eichelhäher, indem du das Buch gebunden hast, das mir die Hände fesselt. (Unheilvoll flüsternd:) Deshalb war ich sehr zornig auf dich."
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