Thor Hanson: „Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Eidechsen"

Wer sich anpasst, überlebt

07:52 Minuten
Das Buchvover zeigt mehrere große grüne Blätter und zwei kleine braune Eidechsen
© Penguin Random House

Thor Hanson

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Andrea Kunstmann

Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Eidechsen. Faszinierende Antworten der Natur auf die KlimakriseKösel, München 2022

288 Seiten

22,00 Euro

Von Michael Lange · 02.12.2022
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Der Klimawandel stellt die Natur vor gewaltige Herausforderungen. Für viele Pflanzen und Tiere bedeutet das: Sich anpassen oder aussterben. Der US-Biologe Thor Hanson beschreibt eine Natur im Wandel auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft.
In seinem ebenso leicht verständlichen wie informativen Sachbuch verknüpft Thor Hanson persönliche Erfahrungen mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Beim Angeln, beim Wandern oder auch im Kontakt mit anderen Naturforschern aus aller Welt begegnen ihm immer wieder Pflanzen oder Tiere, die irgendwie versuchen, mit steigenden Temperaturen oder extremen Wettersituationen fertig zu werden. Vielen Arten droht das Ende, weil sie nicht in der Lage sind, flexibel auf den Klimawandel zu reagieren. Sie sind aus unterschiedlichen Gründen an ihren Standort gebunden. Andere begeben sich auf die Wanderschaft in kühlere Gefilde.

Natur auf Wanderschaft

Die Flucht vor dem Klimawandel ist die größte Tierwanderung seit der letzten Eiszeit vor über 10.000 Jahren. Bereits für 30.000 Arten konnten Biologen nachweisen, dass sie neue Lebensräume aufgesucht haben. Wahrscheinlich befindet sich ein Viertel aller biologischen Arten der Erde auf Wanderschaft. Auch Pflanzen und sogar Bäume sind nicht fest an ihren Standort gebunden. Mit Hilfe von Tieren und Wind als Samentransporter sind auch sie auf dem Weg in kühlere Regionen. Sie ziehen nach Norden oder in höhere Gebirgsregionen. Thor Hanson beschreibt mit vielen Beispielen eine „Rolltreppe zum Aussterben“. Denn die Höhenspezialisten in der Nähe der Gipfel oder die Lebewesen der Arktis können als letzte der Kette nicht ausweichen und sind dem Untergang geweiht.

Die Kleinen sind im Vorteil

Viele Tiere ändern ihr Verhalten, wenn es wärmer wird. In anderen Fällen kann die Evolution für eine genetische Anpassung sorgen. Die Beispiele aus dem Titel erwähnt Thor Hanson erst in der Mitte des Buches. So reagieren Humboldt-Kalmare auf den zunehmenden Hitzestress, indem sie ihre Wachstumszeit verkürzen und nur noch halb so groß werden. Die „geschrumpften“ Tintenfische brauchen weniger Energie und sind besser an hohe Temperaturen angepasst. Auch einige Anolis-Eidechsen in der Karibik haben ihr Aussehen verändert. Den vermehrten Wirbelstürmen begegnen sie mit größeren Haftpolstern an den Zehen und längeren Vorderbeinen. So können sie sich bei Sturm besser an Zweigen oder Ästen festhalten. Wie das funktioniert, konnte ein junger Wissenschaftler mit einem Laubbläser demonstrieren.

Nicht alle können sich anpassen

Durch Mutation und Selektion passt sich die Natur ständig an - an höhere Temperaturen, weniger Schnee oder an Stürme oder Hochwasser. Einzelne Arten können sich in kurzer Zeit durch Anpassung vor den Folgen des Klimawandels schützen. Vielen anderen gelingt das nicht. Ihre Anpassungsfähigkeit ist begrenzt. Und so macht Thor Hanson in seinem Buch immer wieder deutlich, dass trotz aller Anpassungsfähigkeit der Natur die Klimakrise das Artensterben weltweit beschleunigt. In seine Begeisterung für die Wildnis, die sein Buch prägt, mischt sich daher auch immer wieder Sorge um deren Zukunft.
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