Theodor Wolff: "Die Schwimmerin"

Moderne Frau im Nachruf auf die Weimarer Republik

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Das Cover von Theodor Wolffs Roman „Die Schwimmerin” vor Deutschlandfunk Kultur Hintergrund.
Berlin-Porträt, Sozialgeschichte, beobachtungsstarker Nachruf auf die Weimarer Republik - nur als Liebesroman taugt Theodor Wolffs "Schwimmerin" nicht so sehr. © Weidle / Deutschlandradio
Von Manuela Reichart · 27.09.2021
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Ein gutgläubiger Liberaler und eine politische, moderne Frau: Sie werden nicht glücklich miteinander, verraten aber viel über ihre Gegenwart. Theodor Wolffs Sozialporträt der späten Weimarer Republik erscheint in neuer Auflage.
Ein alternder Mann und ein junges Mädchen: In diesem Roman aus dem Jahr 1937 begegnet uns ein ungewöhnliches Paar, dessen Liebesgeschichte nicht wirklich überzeugt. Dafür aber ist dieser "Roman aus der Gegenwart" tatsächlich voller Berliner Gegenwart am Ende der Weimarer Republik.
Der einst einflussreiche Journalist Theodor Wolff – von 1906 bis 1933 war er Chefredakteur des "Berliner Tageblatts" – erzählt in seinem letzten Buch von einem Mann, der keine politischen Ambitionen hat, aber ein genauer Beobachter seiner Epoche und ihrer Veränderungen ist. Wir lernen diesen Ulrich Faber 1918, am Ende des Ersten Weltkriegs kennen und begleiten ihn bis in die Mitte der 1930er-Jahre.

Instrumentalisierung einer Lappalie

Die eindrucksvollste Episode dreht sich um einen Prozess. Ein Streit zwischen einem Droschkenkutscher und einem Fahrgast eskaliert, der Herr fühlt sich beleidigt, die Polizei wird gerufen, der Romanheld ist Zeuge und Fürsprecher des Taxifahrers. "Der Vorfall hat sich am 1. Oktober 1928 begeben." Die Sache scheint lächerlich, aber drei Jahre später kommt es zu einer Art Schauprozess, dessen Ablauf und Urteil voraus weist. Die Lager sind deutlich, die Nazi-Anhänger bringen sich gegen Liberale, gegen den Rechtsstaat in Stellung.
Wolff beschreibt nuancenreich, wie diese eigentlich lapidare Angelegenheit politisch benutzt wird. Wie sein Protagonist Ulrich Faber, ein erfolgreicher Bankier und begehrter Unternehmensberater, denunziert wird. Er steht auf der falschen Seite, dieser liberale und hedonistische Mann, der spöttisch auf die neue deutsche Gemengelage blickt.

Ohne Geliebte im Exil

Dieser Kriegsheld, ein erfolgsverwöhnter Aufsteiger in die höchsten Gesellschaftsschichten der Weimarer Republik, wird am Ende als trauriger Emigrant in Südfrankreich über seine Rolle nachdenken. Er hat ziemlich viel verloren, vor allem die junge Geliebte, die sich von seinen Versprechen auf ein behütetes luxuriöses Leben nicht halten ließ.
Sie ist eine selbstbewusste, eine politische Person, die vor allem selber etwas werden, nicht durch seine Protektion etwas sein will. Sie ist die "Schwimmerin". Mit diesem Titel, einer Hommage an die moderne Frau, hoffte Theodor Wolff, der 1937 selber schon im südfranzösischen Exil war, die Neugierde seines Publikums zu wecken. Das schlug jedoch fehl.
Im kenntnisreichen Nachwort von Ute Kröger erfährt man, dass zwei Jahre nach Erscheinen des Romans gerade einmal 372 Exemplare verkauft worden waren, und dass die Hoffnung auf eine Verfilmung sich zerschlagen hatte. Zu wenig Romanze für Hollywood.

Schwache Liebesgeschichte, starkes Gesellschaftsporträt

Jenseits vom Happy End, das es hier nicht gibt, bleibt die Beziehung zwischen der jungen Frau und dem alternden Mann seltsam leblos. Wir lesen vor allem von seinem Bild dieser Geliebten, die ihr reales Vorbild wohl in der Sekretärin Theodor Wolffs hatte, einer mutigen Widerstandskämpferin, die von den Nazis 1942 hingerichtet wurde. Lebendig wird diese Figur nicht.
Als Liebesroman taugt "Die Schwimmerin" also nicht besonders, umso mehr aber als Berlin-Porträt, als Sozialgeschichte, als beobachtungsstarker Nachruf auf die Weimarer Republik – und auf den Typus eines ungemein sympathischen und klugen Liberalen, der sich das verbrecherische Nazi-System trotz allem Pessimismus noch nicht vorstellen konnte.

Theodor Wolff: "Die Schwimmerin"
Weidle Verlag, Bonn 2021
356 Seiten, 25 Euro

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