Autorin Thea Dorn

"Ich bin geprägt von den großen, toten Männern"

10:12 Minuten
Thea Dorn blickt lächelnd in die Kamera.
Autorin und Philosophin Thea Dorn: Feminismus an der Universität hielt "für Quatsch". Ihrem Selbstbewusstsein hat das nicht geschadet. © Imago / Future Image / Christoph Hardt
Thea Dorn im Gespräch mit Joachim Scholl · 17.11.2022
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Thea Dorn ist kein Fan der feministischen Philosophie, genau wie einst ihre Philo-Professorin Ursula Wolf. Einen männlichen Bonus gab es dennoch nicht: "Männliche Dummschwätzer" hatten es schwer an der Uni. Toll sei das gewesen.
Mit bürgerlichem Namen heißt die Schriftstellerin, Moderatorin und Philosophin Thea Dorn eigentlich Christine Scherer. Mit ihrem Künstlernamen hat sie sich an den Philosophen Theodor W. Adorno angelehnt. "Interessanterweise bin ich geprägt von den großen toten Männern", sagt sie mit Blick auf ihre Zeit als Philosophie-Studentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin.

Das Ende der "männlichen Dummschwätzer"

An der Universität hielt sie das mit dem Feminismus "alles für Quatsch", sagt Thea Dorn zu dieser Zeit. Bei der Philosophie ist sie dennoch knapp zehn Jahre lang geblieben: "Das verdanke ich einer Frau, meiner Professorin Ursula Wolf", sagt die Autorin und Moderatorin des ZDF-Klassikers "Das Literarische Quartett".

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Bei Wolf hatte Dorn erst ihren Abschluss gemacht und schließlich auch an ihrem Lehrstuhl gearbeitet. Wolfs Ruf sei zwar grässlich gewesen, erzählt Dorn: "Vor allem Studenten rannten reihenweise, mehr oder weniger heulend, aus ihren Seminaren, weil sie den Eindruck hatten, die ist ja so streng."
Sie selbst fand es allerdings großartig: "In einem Seminar dachte ich: 'Gott, ist das toll. Endlich mal werden diese ganzen männlichen Dummschwätzer abgeschafft'."
Dabei habe Wolf gar nichts mit feministischer Philosophie am Hut gehabt, sondern sich vielmehr mit antiker Philosophie, Moralphilosophie und Ethik beschäftigt: "Aber bei ihr kam dieser männliche Bonus nicht vor, der überhaupt nicht als Bonus wahrgenommen wurde, weil er der normale Umgangston war an der Uni", erinnert sich Dorn. "Und auf einmal passierte das Erstaunliche: dass diese Seminare von Studentinnen geprägt wurden."

Große Fragen sind die Stunde der Philosophie

Ihr Lebensweg führte sie dann in andere Gefilde: "Die Philosophie ist nun mal eine Disziplin, die sich vorrangig an den Kopf wendet: Rationales, klares Denken, Analysieren." Doch dann entdeckte sie ihre tiefste Leidenschaft: die Oper. "Man könnte etwas polemisch sagen: Die Literatur ist das, was rauskommt, wenn Oper auf Philosophie trifft."
Für sie als Philosophin und Autorin können Philosophie und Literatur auch Hand in Hand gehen, auch wenn sie merkt, "dass die Philosophie mich vielleicht seit knapp zehn Jahren wieder viel mehr umtreibt, als sie das eine Weile lang getan hatte."
Unterhaltsame Geschichten zu erzählen, sei für sie zwar schon in Ordnung. Aber sie interessieren wieder mehr die großen Fragen - und damit schlägt die Stunde der Philosophie. Die 52-Jährige führt das zurück darauf, dass die Zeit bestimmte Fragen wieder auf die Agenda gehoben hat: "Was ist eigentlich der Mensch? Was ist das Leben? Ist es diese technologische, technoide Verkürzung, die wir allenthalben erleben? Oder muss man Mensch sein nicht doch ganz anders definieren? Wie gehen wir damit um, dass wir in dieser merkwürdigen Mischsituation sind, dass wir mittlerweile das Schicksal massiv eindämmen können und gleichzeitig immer noch Gelieferte sind?"

Philosophie und Literatur

Wie Literatur und Philosophie zusammen gehen können, zeigt sich Dorn in Goethes "Faust": "Das ist Literaturliteratur – aber auch Philosophie", sagt sie: "Ich glaube, man kommt, wenn man wirklich an die großen Fragen der menschlichen Existenz ran will, um die Philosophie gar nicht rum."
In der aktuellen Zeit fallen ihr zu Philosophie in der Literatur allerdings nur wenige Namen ein: "Peter Bieri, der dann als Pascal Mercier extrem erfolgreicher Romancier wurde", fällt ihr dazu ein. Auch Michel Houellebecq schlage sich auf seine Weise mit philosophischen Themen herum, ebenso der Franzose Emmanuel Carrère. Auch den norwegischen Schriftsteller Karl Ove Knausgård sieht Dorn mit seinen aktuellen Büchern "schwer in die Philosophie gedriftet".

Philosophische Autorinnen

Als Frau fällt ihr in der nicht allzu fernen Vergangenheit Iris Murdoch, die bei Wittgenstein promoviert und zahlreiche Romane veröffentlicht hat. Zudem habe sich Siri Hustvedt mit philosophischen Themen beschäftigt. "Sie hat, auch aus einer autobiografischen Erfahrung heraus, durch ihre Nervenkrankheit, angefangen, sich mit Wahrnehmungstheorie und Erkenntnistheorie zu beschäftigen", zählt Dorn auf. Vor allem Hustvedts Essay "Die Illusionen der Gewissheit" gefiel Dorn gut.
Bei den ganz jungen Autoren hält sie Nele Pollatschek für eine kluge Philosophin, die in der "Süddeutschen Zeitung" schreibt und bislang mit „Das Unglück anderer Leute“ einen Roman veröffentlicht hat. "Da bin ich neugierig, wo das hingeht – vielleicht kommt da aus der Ecke irgendwann mal der philosophische Roman einer Autorin."
(mfu)
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