The Staves: "Good Woman"

Neue Lebenserkenntnis in neuen Sounds

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Die Band „The Staves” auf der Bühne in der Brixton Academy, England.
Die Band „The Staves” auf der Bühne in der Brixton Academy, England. © picture alliance / Photoshot | -
Von Harald Mönkedieck · 10.02.2021
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Minimalistischer Sound, gefühlvoller Harmoniegesang: Damit eroberten die Folk-Schwestern „The Staves“ die Herzen und Ohren von Kollegen wie Paul Weller. Ihr neues Album "Good Woman" klingt rockiger, aber ihr Harmoniegesang ist immer noch magisch.
Als akustische Musikerinnen fingen sie einst an, die drei Schwestern des britischen Trios "The Staves". Nun aber ist es bereits eine Weile her, dass man Neues von ihnen hören konnte. Nach einer Zusammenarbeit mit dem US-Kammermusik-Ensemble "ymusic" und einigen EPs gab es eine Kreativpause für die Schwestern Emily, Jessica und Camilla Staveley-Taylor, die mit ihrem gefühlvoll-brillanten Harmoniegesang namhafte Kollegen wie Paul Weller oder Bon Iver zu Fans machten.

Der Tod der Mutter als Zäsur

Das neue Staves-Album erscheint nach längerem Anlauf mit kreativem Beistand von US-Erfolgsproduzent John Congleton. Und das aus gutem Grund, wie Jessica erzählt:
"Das Schwerwiegendste, was uns passiert ist nach den ersten Demos zum Album, war der Tod unserer Mutter im Sommer 2018. Es kam sehr unerwartet. Wir wollten zwar weitermachen, erkannten dann aber, dass wir eine Auszeit brauchten. Als wir schließlich zurück ins Studio gingen, benötigten wir frische Perspektiven und neue Energie.
John war am Ende unser Retter in der Not. Er gab uns viel Bestätigung und Selbstvertrauen. Wir hatten das Gefühl, dass er uns zuhören und nicht nur die Kontrolle übernehmen wollte."

Weg vom Minimalismus

Was nicht bedeutet, dass das Album nicht nach einer Arbeit des Rock-Produzenten Congleton klänge. Wer sich an ältere akustische Aufnahmen der Staves erinnert, wird unter Umständen die eher minimalistische Gestaltung vermissen, mit dem neuen Produktionseifer hadern.
Doch das war der Plan. The Staves wollten etwas wagen. Neue Lebenserkenntnis in neue Songs und neue Sounds übersetzen.
Jessica sagt: "Es gibt ja diese klischeehafte Phrase: Was Dich nicht umbringt, macht Dich stärker. Das ist schon wahr. Als wir gemeinsam durch diese schwierige Zeit gekommen waren, dachten wir: Wir sind immer noch da, trotz allem. Nach diesen anderthalb Jahren des Rückzugs fühlten wir uns furchtloser und mutiger. Mit dem Gefühl: Was soll jetzt schon groß an Schlechtem passieren? Das Leben ist zu kurz, um sich über kleine Dinge hinsichtlich Songs oder einer Platte zu grämen. Es wurde leichter für uns, Entscheidungen zu treffen."

Weibliches Empowerment

Das Thema Weiblichkeit wurde zu einem neu bewerteten Faktor im Leben der drei Musikerinnen und in den neuen Songs. Neben der Verlusterfahrung kam ein Gewinn hinzu: Die älteste Schwester Emily wurde Mutter einer Tochter.
Eine gescheiterte transatlantische Beziehung von Camilla, der jüngsten der drei, spielte außerdem eine Rolle. Sie kehrte nach Jahren in den USA zurück nach Hause. Jessica Staveley-Taylor mit Gedanken zum Titelsong des Albums: "Good Woman":
"Ich denke, als Frau wird von einem erwartet, vieles gleichzeitig zu sein. In diesem Song geht es um die Vorstellung, dass Frauen ihre eigenen Sehnsüchte, Wünsche und Bedürfnisse zur Seite legen, um die Probleme anderer zu tragen, sich nur um andere zu kümmern, ihnen zur Seite zu springen. Auch in einer Beziehung kann das dazu führen, dass es keinen Raum mehr für einen selbst und die eigenen Probleme gibt.
Wir haben darüber nachgedacht: Was bedeutet es eigentlich, eine 'Gute Frau' zu sein? Der Song kommt zu dem Entschluss: Wenn ich mich selbst so akzeptieren kann, wie ich bin, dann reicht das aus."

Harmoniegesang in mühelosen Arrangements

Das Album präsentiert als Ganzes eine musikalisch spannende Entwicklung des Trios, das heute in London und im heimatlichen Watford lebt. Die schwesterlichen Stimmen bleiben das Schönste an der Musik des Trios. Mal unisono, oft dreistimmig in mühelosen Arrangements, wie einst bei Crosby, Stills and Nash. Man singt ohne Anstrengung zusammen, wobei individuelle Stimmen nicht in Rollen und Lagen festgelegt sind.
The Staves harmonieren schon ein Leben lang: als Musikerinnen, als Schwestern, als Familie. Neuerdings auch in einem Podcast, mit Telefonaten aus dem Lockdown: "Dial-A-Stave."
"Bei Aufnahmen kann ich manchmal nicht sagen, welche Stimme von wem kommt, obwohl ich selbst eine davon bin. Wenn man so miteinander verschmilzt, wird es wie eine Stimme. In dieser Hinsicht scheint es auch mit Genetik zu tun zu haben. Nicht nur bei uns, auch bei anderen Gruppen.
Wenn man diesen Zusammenklang der Stimmen hört, ist zwar sicherlich Physik im Spiel, aber man kann manchmal nicht anders, als zu denken: Etwas Magie ist auch."

The Staves: "Good Woman"
Warner

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