Ani DiFranco: "No Walls Mixtape"

Der Soundtrack zur eigenen Biografie

05:56 Minuten
Ani DiFranco beim Abschlusskonzert des Rudolstadt Festivals 2017.
Ani DiFranco beim Abschlusskonzert des Rudolstadt Festivals 2017. © Deutschlandradio - Kerstin Poppendieck
Von Kerstin Poppendieck  · 31.07.2019
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Ani DiFranco ist Grammy-Gewinnerin, Label-Gründerin, Aktivistin und eine der Gallionsfiguren der New-Folk-Bewegung. Mit 48 Jahren hat sie jetzt ihre Autobiografie "No Walls" veröffentlicht. Passend dazu erscheint der Soundtrack zum Buch.
"Nachdem ich Hunderte Lieder geschrieben habe, war ich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung in Sachen 'Schreiben'. Komplette Sätze und Prosa, das war etwas ganz Neues für mich. Ich wollte meine Geschichte auf eine Art dokumentieren, wie es Lieder nicht können."

Sagt Ani DiFranco über ihre jetzt erschienene Autobiografie. "Was zum Teufel ist das?", hatte die amerikanische Singer-Songwriterin zum Beispiel einmal während eines Konzertes erschrocken ins Mikrofon gerufen, weil sie am Ende der Bühne etwas großes Dunkles sah. Dieses große Dunkle entpuppte sich als die Silhouette einer schwerbehinderten Frau im Rollstuhl.
Es sind diese ehrlichen wie unangenehmen Anekdoten zu Beginn des Buches, die dem Leser Ani DiFranco näher bringen – vielleicht näher, als es eines ihrer Konzerte jemals geschafft hat. Die spannende Frage beim Lesen ist: Wie wurde das Mädchen Ani DiFranco zu dieser engagierten, einflussreichen Musikerin?
Während man das im Buch nachlesen kann, kann man parallel dazu den Soundtrack zum Buch "No Walls Mixtape" laufen lassen, der separat als CD oder digitaler Download erscheint. No Walls, weil Ani DiFranco mit ihrer Familie in einem Haus aufwuchs, das keine Innenwände hatte, außer um das Badezimmer.

Entwicklung ihrer alten Lieder

"Ich fand die Idee interessant, sich einige der Lieder, die im Buch vorkommen, nochmal genauer anzusehen. Ich hoffe, dass das Buch für sich steht und auch Menschen anspricht, die meine Musik nicht kennen. Aber wer interessiert ist, bekommt mit diesem Album eine Einführung in meine Musik und den Soundtrack zu meinem Buch."
Die 16 Lieder auf dem Album hat Ani DiFranco alle neu eingespielt. Ausgewählt hat sie vor allem Lieder, die auch im Buch eine Rolle spielen, wie zum Beispiel "Names, Dates and Time", ein Lied, in dem es um ihre Suche nach Freunden geht, außergewöhnlichen Menschen, die aus der Masse herausstechen. Als sie dieses Lied 1993 veröffentlichte, spielte sie die Gitarre schneller und ihr Gesang ging mehr nach vorne. Er klang jugendlicher. Für Ani DiFranco ist diese Entwicklung ihrer alten Lieder ganz normal.
"Ich habe die Texte manchmal etwas verändert und auch die Akkorde klingen teilweise etwas anders. Aber auf der anderen Seite fände ich es auch komisch, wenn ich ein Lied, das ich mich 18 geschrieben habe, heute noch genauso spielen würde. Ich bin jetzt 48 und ein ganz anderer Mensch. Außerdem habe ich mir nie wieder meine alten Aufnahmen angehört. Da ist es ganz natürlich, dass sich die Lieder mit mir verändern."
Ani DiFranco hatte noch nie einen Plattenvertrag bei einem großen Label. Angebote gab es genügend, aber sie hat stattdessen lieber ihr eigenes Label gegründet - Righteous Babe Records. Da war sie gerade mal 20 Jahre alt. Zuvor hat sie schon als Teenager mit ihrer Gitarre in Clubs gespielt, um Erfahrungen zu sammeln.

16 Alben bis jetzt veröffentlicht

Es ist beeindruckend, wie zielstrebig die Künstlerin ihr ganzes Leben lang war, wie engagiert. Sinnbefreite Liedtexte hat es bei ihr nie gegeben. Dafür gäbe es zu viele Ungerechtigkeiten auf der Welt, sagt sie. 16 Alben hat Ani DiFranco bis jetzt veröffentlicht, das erste vor 23 Jahren. Als sie jetzt durch all diese Lieder ging, um die Auswahl für den Soundtrack zum Buch zusammenzustellen, war sie oftmals verblüfft und wurde mitunter nachdenklich.
"Das ist manchmal so entmutigend, wenn ich ein 20 Jahre altes Lied nehme, und es immer noch genauso zur aktuellen politischen Situation passt. Nichts hat sich verändert in den 20 Jahren. Zum Beispiel das Lied 'To The Teeth'. Da geht es um Waffengewalt in Amerika, die erschreckende Tatsache, dass so viele Menschen bei uns Waffen besitzen, und unsere Regierung es nicht schafft, entsprechende Gesetze zu erlassen. Dieses Lied habe ich vor 20 Jahren geschrieben und ich könnte es morgen spielen und es hat die selbe Bedeutung."

Neues Album erscheint im Frühjahr

Wenn es etwas gibt, das Ani DiFranco an ihrer Karriere bereut, ist es, dass sie nie Pausen gemacht hat. Immer kam die Musik an erster Stelle. Aber diese Erkenntnis allein ändert bei Ani DiFranco wenig, denn schon arbeitet sie an einem neuen Projekt. Aus Texten, die Gefängnisinsassen geschrieben haben, hat sie Lieder komponiert. Das daraus entstandene Album erscheint im Frühjahr. Aus ihrer gewünschten Pause wird also erstmal nichts.
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