The Playfords beim Playgroundfestival

Die Tänze des Latin Baroque in Weimar

Die Musiker vom Ensemble The Playfords
Die Musiker vom Ensemble The Playfords © Martin Jehnichen
Von Grit Friedrich · 17.11.2016
Ein Kulturtransfer der besonderen Art: Nach der Entdeckung Amerikas fanden aufregende Tänze aus der Neuen Welt den Weg ins Europa der Barockzeit. Beim Playgroundfestival in Weimar präsentiert das Ensemble The Playfords diesen Latin Baroque.
Benjamin Dressler: "Also vom Prinzip her wirken diese Stücke total einfach, eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Und ich denke, na klar, wird einfach wie ein Walzer gespielt, aber wenn ich auf Luz schaue, sehe ich auch das sie die Schritte einfach auf einen anderen Schwerpunkt setzt und dann versuche ich einfach den Takt auf den Kopf zu stellen, die drei wird zur eins innerlich. Das darf ich natürlich niemandem sagen. Und dann komme ich so annähernd in das Feeling, was diese Musik braucht."
Benjamin Dressler wagt sich mit seinen Freunden immer wieder auf unbekanntes Terrain. So hatten sich The Playfords im Sommer dieses Jahres auf ihrer jüngsten CD "Luther tanzt" dem protestantischen Kirchenlied gewidmet. Für ihr neues Programm, das sie beim Playgroundfestival in Weimar präsentieren, suchen The Playfords nun nach gemeinsamen Wurzeln südamerikanischer Folklore und europäischer Barockmusik. Und da dieses Ensemble ein großes Faible für Tanz hat, lag der Gedanke nahe, auch eine Tänzerin einzuladen - die Peruanerin Luz Hualpa Garcia aus Berlin:
"Das ist eine tolle Erfahrung, definitiv. Weil ich habe das Gefühl, dass sich zwei Welten treffen. Vor 500 Jahren hatten wir erstmal die Entdeckung der Neuen Welt. Und seitdem sind diese zwei Kontinente irgendwie getrennt. Und was ich heute erfahren habe, das war voller Emotionen geladen für mich. Weil wir merken genau, dass es Konflikte gibt, auch in mir, die verschiedene Gefühle auslösen, wie Traurigkeit, aber auch die Freude, die Freude zu sehen, wie manche Deutsche, Europäer mit so viel Verantwortung mit unserer Kultur umgehen, das finde ich toll."

Peruanische Tänzerin als Gast

Luz Hualpa Garcia lebt seit zehn Jahren in Deutschland und hat zum ersten Mal mit deutschen Musikern ein Programm erarbeitet. Bei den Proben trägt sie einfache schwarze Kleidung, im Internet findet man Aufnahmen der Tänzerin mit farbenprächtigen Kostümen. Ihre mal sparsamen, dann wieder eruptiven Bewegungen geben der Musik von den Playfords eine weitere Dimension. Erdet sie, oder verleiht ihnen Flügel, wenn man so will.
Luz Hualpa Garcia: "Die Idee ist, nicht Stereotypen zu wiederholen, das will ich nicht. Ich habe hier in Europa auch meine eigenen Ideen entwickelt und ich möchte das zeigen. Vielleicht werden manche Elemente traditionell sein, aber vor allem ich befreie mich von diesen Elementen. Das will ich, durch meine Körperbewegungen diese Traditionalität zeigen, aber nicht unbedingt durch meine Kostüme."
Neben der Tänzerin Luz Hualpa Garcia arbeiten The Playfords dieses Mal mit einer Gastsängerin. Die chilenisch-schwedische Mezzosopranistin Luciana Mancini studierte am Königlichen Konservatorium in Den Haag klassischen Gesang, Oper und Alte Musik. Schon mit dem renommierten Alte-Musik- Ensemble L'Arpeggiata hat sie vor einigen Jahren für ein CD-Projekt das traditionelle Repertoire Südamerikas durchforstet.
Nun taucht Luciana Mancini erneut tief in diese Klangwelt ein - mit The Playfords:
"Sie haben eine große Bandbreite und sie haben schon sehr viel unterschiedliche Musik bearbeitet. Ich hatte keinen Zweifel, dass es aufregend würde. Wir haben mit Nora diskutiert, sie wollte mein Repertoire kennenlernen, aber ich wollte auch die Gelegenheit ergreifen und mein eigenes Repertoire erweitern.
Nora Thiele: "Das Programm was wir machen, ist zusammengesetzt aus zwei bis drei Ebenen, und hier die Folia und Xacara, das sind Grounds, also Bassmodelle, die in Spanien, Italien, in Europa im 16. und 17. Jahrhundert sehr bekannt waren, immer wieder gespielt wurden und auch weiterentwickelt wurden. Auch Folia, kommt ja von verrückt, das war ein wilder, verbotener, lasziver Tanz, wo vielleicht dieses kultisch, afrikanisch Ekstatische drinsteckt. Der wurde im Barock so ganz stilisiert. Was wir gern zeigen würden, und was klar wird: Dass sehr viel Barockmusik viel ältere Wurzeln hat, in der Renaissance oder im Frühbarock, die afrikanisch, südamerikanisch beeinflusst sind von der Rhythmik. Andersrum sind die folkloristischen Lieder in Südamerika auch beeinflusst von barocker Harmonik."

Austausch zwischen Südamerika und Europa

"Polo margariteño" ist ein perfektes Beispiel für den fruchtbaren musikalischen Transfer zwischen Südamerika und Europa. Denn dieses Volkslied aus Venezuela basiert auf dem gleichen Bassmodell wie die italienische Romanesca.
The Playfords, das sind Björn Werner – Gesang, Annegret Fischer – Blockflöten, Benjamin Dressler - Viola da Gamba, Erik Warkenthin – Barockgitarre. Jetzt spielt er auch die handliche, aus den Anden bekannte Charango, ein in Europa leider klischeebeladenes Zupfinstrument mit fünf Doppelseiten. Das Quintett komplett macht Nora Thiele. Die Percussionistin wandert lustvoll zwischen Alter Musik und Musik der Welt und hat schon einmal mit Ruben Dubrovsky vom Wiener Bach Consortium über südamerikanische traditionelle Musik gearbeitet. Bei The Playfords – die sich nach ihren eigenen Worten "early music" und Folk widmen - spielt Improvisation eine große Rolle.
Bei "Canto en la Rama", einem Liebeslied aus Argentinien, singen alle Playfords und ihre Gastkünstlerinnen, das sind Momente großer Innigkeit im neuen Programm "Flor de Canela". Flor de Canela ist das spanische Wort für Zimtblüte, aber so heißt auch das bekannteste Lied der Peruanerin Chabuca Granda, es besingt die Schönheit einer Frau aus Lima. Auch mit diesem Lied bauen die Playfords Brücken zwischen Europa und Südamerika und decken dabei viele Schichten auf, von traditioneller Musik, über die Barockzeit bis in die Gegenwart.
Luciana Mancini: "Die Haltung ist Entdeckung, Abenteuer und Lernen. Wir lernen alle hier. Dieses Repertoire provoziert dazu. Ich kenne die Lieder, Texte und Rhythmen schon länger, ich habe sie in meinem Blut, um beim Klischee zu bleiben. Aber wir entdecken sie gemeinsam neu und machen sie zu etwas Eigenem. Das bringen wir hoffentlich in den Proben zusammen und wir bringen es auch zum Publikum.
Mehr zum Thema