Tareq Alaows zieht Kandidatur zurück

Entsetzen über Morddrohungen und Anfeindungen

05:42 Minuten
Der Grünen-Politiker Tareq Alaows vor dem Reichstagsgebäude in Berlin.
Der Grünen-Politiker Tareq Alaows kandidiert nicht mehr für den Deutschen Bundestag, da seine Familie in Syrien massive Drohungen erhalten hat. © picture-alliance / AP / Markus Schreiber
Alan Posener im Gespräch mit Anke Schaefer  · 03.04.2021
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Über den Rückzug des Politikers Tareq Alaows, der als syrischer Geflüchteter für die Grünen ins Parlament wollte, zeigt sich Alan Posener bestürzt. Der "Welt"-Journalist findet, dass solche Menschen in der Politik stärker vertreten sein müssten.
Er wollte als erster Geflüchteter Abgeordneter im Deutschen Bundestag werden (wir berichteten), doch nun hat der Syrer Tareq Alaows seine Kandidatur für die Grünen in Nordrhein-Westfalen überraschend zurückgezogen. Nach Auskunft eines Parteisprechers hatte es anonyme Morddrohungen gegen Alaows Familie in Syrien gegeben – für den Fall, dass der 31-jährige Politiker an der Kandidatur festhalte.

"Ich war schockiert und erbost", sagt der Journalist Alan Posener, der mit Alaows kürzlich noch ein Interview geführt hatte. "Das ist ein großartiger Mensch und eine Bereicherung für unser Land."
Der Journalist Alan Posener 
Der Journalist Alan Posener wünscht sich für Geflüchtete einen leichteren Zugang in die Politik. © picture-alliance / dpa / Jörg Carstensen
Er sei beeindruckt, wie Alaows in so kurzer Zeit ausgezeichnet Deutsch gelernt habe. Er sei selbst eigentlich kein Freund der Grünen, so Posener, "aber er ist einfach ein guter Typ." Es habe ihn tief getroffen, was der Syrer habe erleben müssen.

Entsetzen über Drohungen

Im Netz habe es schlimmste Drohungen gegeben, sagt Posener. Als Politiker oder Publizist wisse man, so wie er, dass man so etwas immer wieder erlebe. Aber wenn jemand aus einem Bürgerkriegsland komme wie Syrien und erlebe das an seinem Zufluchtsort, dann sei das natürlich bestürzend.
"Er ist vor einem blutigen Diktator geflohen und wird auch angemacht von der AfD, also von der rechten Seite, nicht nur, weil er 'Ausländer' ist, sondern die AfD sympathisiert mit dem Schlächter, vor dem Tareq geflohen ist."

Normalerweise müsse man acht Jahre warten, bis man die deutsche Staatsangehörigkeit bekomme, so Posener. Es hätte aber nach seiner Ansicht in Alaows Fall auch die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung gegeben. Das komme vor, wenn es im allgemeinen Interesse sei.
Er finde das wichtig, nicht nur in Alaows Fall, der nun nicht mehr kandidieren werde. Leute wie er sollten die Staatsangehörigkeit bekommen, damit sie sich nicht nur auf kommunaler Ebene, sondern auch im Bundestag einbringen könnten. Auch wenn das Erzkonservativen und Rechtsextremen nicht gefalle, diese Menschen seien "Teil des neuen Deutschlands".
(gem)

Der deutsch-britische Journalist Alan Posener wurde in London geboren und wuchs in Malaysia und Berlin auf. Er war zunächst Lehrer und machte sich als pointierter Kommentator und Blogger einen Namen. Heute ist er Korrespondent für Politik und Gesellschaft bei der "Welt"-Gruppe. Posener hat zahlreiche Bücher geschrieben, darunter "Imperium der Zukunft – Warum Europa Weltmacht werden muss" (Pantheon 2007) und "Benedikts Kreuzzug: Der Kampf des Vatikans gegen die moderne Gesellschaft" (Ullstein 2009).

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