PEN-Tagung in Gotha

Frieden gibt es nicht zum Nulltarif

06:56 Minuten
Wolken ziehen über Schloss Friedenstein in Gotha.
Wolken ziehen über Schloss Friedenstein in Gotha. © picture alliance/dpa | Martin Schutt
Henry Bernhard im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 14.05.2022
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Nach Deniz Yücels dramatischem Abgang als Präsident ist die Spaltung des PEN- Deutschland deutlich sichtbar. Ältere Mitglieder glauben, der Verein werde sich schon wieder berappeln, jüngere hinterfragen dessen gesellschaftliche Relevanz.
Ein bitteres Spektakel haben die nach Gotha gereisten Mitglieder des PEN-Zentrum Deutschland am Samstag erlebt. Ihr bisheriger Präsident Deniz Yücel hatte sich aus der Schriftstellervereinigung mit den Worten verabschiedet: Weder als Präsident noch als Mitglied wolle er die Galionsfigur einer Bratwurstbude sein, in der Spießer und Wichtigtuer das Sagen hätten. Auch auf Twitter arbeitete er sich den ganzen Tag an der Provinzialität und Selbstgenügsamkeit einiger PEN-Mitglieder ab.

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Nur einmal wurde es kurz laut

Am Tag danach diskutierte dann ein Podium auf Schloss Friedenstein über den Krieg, den Frieden und den PEN. Wenn man nicht wusste, was nur Stunden zuvor passiert war, dann hat man davon auf dem Podium eigentlich nichts mitbekommen, wie unser Landeskorrespondent Henry Bernhard aus Gotha berichtet.
Wie geplant nahm Deniz Yücel daran teil und verteidigte noch einmal seine Haltung zur Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine: Er sei kein Politiker, aber diese Forderungen der Ukraine müsse man einfach auch mal weitertragen können. Nur einmal wurde es laut, als er sich mit seinem Vorgänger, Johano Strasser, der ihn auch abwählen wollte, ein Wortgefecht darüber lieferte, wer nun besser wisse, wie die Ukraine sich am besten verteidigen könne, Strasser oder die ukrainische Regierung.

"Deutschland scheint denkresistent zu sein"

Yücel sagte auch, Putin gehe immer weiter und wenn er in der Ukraine nicht gestoppt werde, müsse sich Europa eben darum kümmern und damit auch Deutschland. Die Philosophin Svenja Flaßpöhler sagte, natürlich müssten wir die Ukraine unterstützen, doch sei es aber die Frage, wie weit, denn wir müssten die Gefahr eines Atomkrieges auch abwägen.
Dafür hatte dann aber die ukrainische Autorin Marjana Gaponenko, die ebenfalls auf dem Podium saß, kein Verständnis:
„Dieses deutsche ‚Nie wieder!’ Wir möchten weder mit dem Krieg was zu tun haben, aber den Frieden möchten wir geschenkt bekommen. Demokratie gibt es nicht zum Nulltarif, und Frieden gibt es nicht zum Nulltarif. Deutschland scheint denkresistent zu sein. Wir sehen in der Ukraine: Europa reitet auf einem toten Pferd und sieht nicht ein, dass es Zeit wäre abzusteigen.“

Deutliche Kritik der jüngeren PEN-Mitglieder

Die Podiumsdiskussion konnte aber nicht über die fragliche Zukunft des PEN-Deutschland hinwegtäuschen. Der Eklat vom Vortag zeigt einen tiefen Riss quer durch den Verein. Diejenigen, die sich mit dem Rücktritt Yücels als Sieger sehen, glauben, dass der Verein sich schon wieder berappeln wird, so Bernhard:
„Die Jüngeren sehen diese Zukunft nicht ganz so ausgemacht: Thea Dorn sagte, für sie ergebe ein Verbleib im PEN eigentlich nur einen Sinn, wenn er sich radikal neu aufstelle. Daniel Kehlmann sagte, es müsse den PEN auch nicht unbedingt weitergeben, es gebe ja auch noch andere Organisationen.“

Welche Relevanz hat der PEN-Deutschland noch?

In diesem Jahr sind zudem keine neuen Mitglieder aufgenommen worden, das hatte man ins nächste Jahr verschoben. Der Kolumnist Sascha Lobo war von Deniz Yücel als Neumitglied vorgeschlagen worden, doch dieser hat nun auch kein Interesse mehr, wie Bernhard berichtet. „Er sagte mir, der PEN stand bislang bei wichtigen Debatten außen vor in den letzten Jahren, und das wird er vermutlich auch weiterhin tun ohne Deniz Yücel, der da möglicherweise andere Zugänge zu Debatten gehabt hätte.“
In den letzten Tagen wurde jedenfalls auch deutliche Kritik an Xenophobie und Homophobie im PEN-Deutschland laut.

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