Sündenböcke in Zeiten von Umbruch, Unsicherheit und Krise

Von Christian Schiller und Marianne Wendt · 07.03.2012
Jede Gesellschaft sucht sich ihre eigenen Sündenböcke. Im Nachkriegsdeutschland der 1950er Jahre waren es Flüchtlingsfrauen aus den Ostgebieten. Was man ihnen vorwarf, klingt mittelalterlich, aber das Mittelalter hinterließ noch im 20. Jahrhundert seine Spuren: Die Frauen wurden der Hexerei verdächtigt.
Und sie wurden, wie man heute sagt, gemobbt. Man vollzog geheimnisvolle Rituale, um ihre Kraft zu bannen. In Norddeutschland hatte dieser Hexenwahn nach 1950 eine gewisse Konjunktur, unter großer Anteilnahme der Bevölkerung mussten sich sogar die Gerichte darum kümmern. Die norddeutschen "Hexenprozesse" sind ein Beispiel für die Gleichzeitigkeit von aufgeklärtem Fortschrittswillen einerseits und Ängsten weiter Kreise der Bevölkerung in Krisenzeiten andererseits. Damals wie heute scheint zu gelten: Je komplexer die Welt, desto größer wird die Sehnsucht, einen Schuldigen für Übel und Gefahren zu finden.

Manuskript zur Sendung als PDF-Dokument oder im barrierefreien Textformat
Mehr zum Thema