Verteufeln, dämonisieren, foltern, verbrennen

Von Ulrich Fischer · 23.08.2009
"The Last Witch" erzählt die Geschichte von der letzten "Hexe", die in Schottland verbrannt wurde - 1727. Historiker können über den Fall nur wenige Fakten berichten, da schlägt die Stunde der Dramatiker.
Rona Munro, eine der bekanntesten schottischen Stückeschreiberinnen, nennt ihre Heldin Janet. Sie lebt im Nordosten Schottlands auf dem Dorf in ärmlichsten Verhältnissen. Janet hat ihre besten Jahre hinter sich, seit 20 Jahren schon ist sie Witwe, aber sie genießt ihr Leben. Was ihr an materiellen Gütern fehlt, gleicht sie aus durch Fantasie und produktive Einbildungskraft - es ist offensichtlich, dass Rona Munro ihrer letzten Hexe Züge von sich selbst gegeben hat.

Janet ist klug, durchschaut ihre Mitmenschen und hat keine Angst vor ihnen. Wenn ihr Nachbar wutentbrannt ihr vorwirft, seine Tiere seien ihretwegen krank, sie habe sie verhext, macht sie sich über ihn lustig. Dem Pastor verweigert sie den Respekt den er wünscht - das sind Bausteine, die ihr die Anklage einbringen, Hexe zu sein.

Sie wird gefoltert, gesteht und schließlich soll sie brennen - in einem Fass, mit Teer beschmiert. Eine hochdramatische Szene.

Dominic Hill stellt sich ganz in den Dienst seiner Dramatikerin, der Uraufführung, seines Ensembles, des Publikums und arbeitet die Fabel sorgfältig und nuanciert heraus. In der Folterszene wird spätestens deutlich, dass das Stück nicht nur historisches Interesse verdient, sondern auch hochaktuell ist. Die Amerikaner hatten ja die Tortur wieder eingeführt - die Szene auf der Bühne zeigt, dass die Folterer die Geständnisse erpressen können, die sie wünschen. Die Inszenierung warnt vor aktuellen Versuchen, Mitmenschen zu dämonisieren oder zu verteufeln. Im Programmheft ist ausdrücklich von Terroristen die Rede.

Das Ensemble spielte expressiv - Kathryn Howden porträtierte Janet als eine selbstbewusste Frau aus dem Volk, die Freude am Leben hat und gegen jede Art falscher Autorität mit Verve und Humor angeht - sie wendet sich gegen die verlogene Dorfmoral und durchlebt eine heftige Affäre, die natürlich in dem schottischen Kaff den Puritanern völlig unerlaubt scheint - teuflisch gewissermaßen.

Die schönste Nebenrolle ist Rona Munro mit dem Pastor gelungen. Immer wieder finden sich in der anglophonen Theaterliteratur heftige Angriffe auf anglikanische Geistliche - sie werden als Heuchler gezeichnet, die hinter salbungsvollen Worten, die den milden Jesus zitieren, nur unzulänglich ihre Herrschsucht verbergen, ihren Wunsch nach Autorität und widerspruchsloser Unterwerfung.

Ein bedeutendes Stück, eine geglückte Uraufführung, das Royal Lyceum war ausverkauft und der Beifall begeistert. Ein Schauspiel, das auch außerhalb Schottlands jedem Theater Ehre machen würde und Schauspielerinnen anspruchsvolle Rollen (an-)bietet.

Dennoch wird das Stück es schwer haben. Es gibt nämlich eines, das das gleiche Thema noch tiefgründiger behandelt, weil es den politischen Aspekt einbezieht, die Nutznießer der öffentlichen Hysterie entlarvt und an den Pranger stellt: "Die Hexenjagd" von Arthur Miller. Ein Meisterwerk des 20. Jahrhunderts. Da nicht mithalten zu können, ist keine Schande - und eine Ehre, in einem Atem mit Miller genannt zu werden.

"Die letzte Hexe"? - Hoffentlich. Es liegt an uns!