Antisemitismus und Islamfeindlichkeit

Diskriminierung führt zu mehr Diskriminierung

11:17 Minuten
Eine junge Frau mit Kippa nimmt am Samstag (15.09.2012) in Berlin an einer Demonstration teil. Der Kippa-Spaziergang, zu dem im Internet aufgerufen worden war, sollte ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen und fand auch anlässlich des bevorstehenden jüdischen Festes Rosch ha-Schana (jüdischer Neujahrstag) statt.
Begegnungen mit Menschen und Bildung helfen gegen Diskriminierung: Das ist Ergebnis einer Studie des Sachverständigenrats für Integration und Migration. © picture-alliance / dpa / Britta Pedersen
Nils Friedrichs im Gespräch mit Nicole Dittmer |
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Antimuslimische und antisemitische Einstellungen sind in Deutschland kein Randphänomen. Bei Menschen mit Zuwanderungshintergrund sind sie verbreiteter als im Rest der Bevölkerung, hat eine Studie festgestellt. Woran liegt das?
Eine Studie des Sachverständigenrats für Integration und Migration hat antisemitische und antimuslimische Vorurteile in Deutschland untersucht – und dabei speziell Menschen mit Einwanderungshintergrund in den Blick genommen.
Dabei habe sich gezeigt, dass solche Vorurteile in der Gesellschaft ganz generell kein Randphänomen seien, sagt Nils Friedrichs, Co-Autor der Studie. Doch die Daten zeigen auch, dass diese Einstellungen bei Menschen mit Migrationshintergrund etwas ausgeprägter sind. Die Forscherinnen und Forscher des Sachverständigenrates haben zudem herausgefunden, dass antisemitische Einstellungen bei Muslimen und Musliminnen, die aus der Türkei stammen, oft religiös begründet sind. Bei arabisch-stämmig Zugewanderten lässt sich eine antisemitische Einstellung dagegen auf ein politisch-gesellschaftliches Narrativ zurückführen: den Nahostkonflikt.

Ein wertschätzendes Miteinander

Eine erschöpfende Erklärung dafür, dass Menschen mit Migrationshintergrund zu mehr Vorurteilen tendierten, könne die Studie nicht geben, sagt Friedrichs. „Wir haben aber gesehen, dass Personen, die sich diskriminiert sehen, aufgrund ihrer Herkunft oder aufgrund ihrer Religion, auch zu negativeren Einstellungen neigen. Insofern ist ein Erklärungsansatz, dass Leute mit Zuwanderungsgeschichte in Deutschland Diskriminierung ausgesetzt sind, und das gleichsam auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, selbst diskriminierende und ablehnende Einstellungen zu entwickeln.“

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Letztendlich gehe es um ein „wertschätzendes und tolerantes Miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft“. Insofern sei klar: „Wenn bestimmte Menschen und Gruppen in Deutschland diskriminiert werden, dann erhöht das auch insgesamt die Wahrscheinlichkeit für gesellschaftliche Konflikte und auch dafür, dass wiederum die Erfahrung der Diskriminierung weitergetragen wird an andere Gruppen.“

Bildung hilft gegen Vorurteile

In der Untersuchung wird auch deutlich, dass Bildung eine wichtige Rolle spielt. Bei Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland zur Schule gegangen sind, stellten die Forscherinnen und Forscher seltener eine antisemitische Einstellung fest.
Das liege auch daran, dass der Holocaust im Lehrplan eine zentrale Rolle spiele, so Friedrichs. Auch der interkulturelle und interreligiöse Austausch helfe, Vorurteile abzubauen. Bildung, Aufklärung, Wissen und persönliche Begegnungen beugen Antisemitismus und Antiislamismus vor, betont Friedrichs. „Insofern brauchen wir umfassende Konzepte, die diese Faktoren einbeziehen.“
Positiv ist: Insgesamt haben Ressentiments gegenüber Musliminnen und Muslimen in den vergangen zehn Jahren abgenommen. Dagegen wird die Religion des Islam kritischer betrachtet. Nur knapp 43 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund sagten, der Islam passe zu Deutschland. Bei den Befragten ohne Migrationshintergrund sagte das mehr als die Hälfte.
(Boussa Thiam, lkn)
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