Streit um Fördergelder in Berlin

Wie antisemitisch ist der Refugee Club Impulse?

Das Türschild der Dependance des American Jewish Committee (AJC) ist am 20.03.2006 in Berlin zu sehen. Das 1998 gegründete Berliner Büro fördert amerikanisch-europäische Initiativen im Nahen Osten.
American Jewish Committee: Deidre Berger vom Berliner AJC-Büro warnt davor, Antisemitismus zu trivialisieren. © picture-alliance / dpa / Steffen Kugler
Von Thomas Klatt · 20.05.2016
Kultur-Arbeit mit Geflüchteten: Der Berliner Refugee Club Impulse sollte dafür 100.000 Euro öffentliche Förderung erhalten. Weil Mitarbeiterinnen des Vereins antiisraelisch und antisemitisch eingestellt seien, protestierte das American Jewish Committee - mit Erfolg.
"Wir befinden uns in einer kafkaesken Situation. Wir sind eine zum größten Teil der Zeit ehrenamtlich arbeitende Gruppe von selbstorganisierten geflüchteten und nicht-geflüchteten Künstler und Künstlerinnen. Aus nichts und fast gar keinen finanziellen Ressourcen haben wir unsere eigene Organisation aufgebaut und, wir hoffen, die Hauptstadt bereichert."
Ahmed Shah spricht für den Refugee Club Impulse, kurz RCI, aus Berlin-Moabit. Die Enttäuschung bei den Theatermachern ist groß. Fest hatten sie schon mit 100.000 Euro Fördergeld seitens der landeseigenen Kulturprojekte GmbH gerechnet. Doch dann kam alles ganz anders.
Ahmed Shah: "Und dann das! Wir wachen auf zu einer Schlagzeile in der Zeitung: Staatliche Förderung für Anhänger terroristischer Organisation! Und wir haben uns gar nicht darin wieder gefunden."

Kultur-Arbeit als wichtiges Integrationsangebot

Denn gleichwohl die Kultur-Arbeit mit Flüchtlingen als wichtiges Integrationsangebot grundsätzlich begrüßenswert ist, kommt es doch auf die konkrete Umsetzung an. Und da hatte das American Jewish Committee Protest eingelegt. Denn Mitarbeiterinnen des Refugee Club Impulse, namentlich die beiden Schwestern Nadia und Maryam Grassmann, wurden in den letzten Jahren als aktive Teilnehmer beim sogenannten Al-Quds-Tag beobachtet. Und der ist alles andere als völkerverbindend.
"Der Al-Quds-Tag ist ein Anti-Israel-Tag, der in die Welt gesetzt wurde von dem Ajatollah Khomeini - schon vor über 20 Jahren. Gesteuert von Teheran mithilfe von Anhängern des iranischen Regimes und der Hisbollah. Hisbollah ist für die Vernichtung Israels, Hisbollah ist tief antisemitisch, antizionistisch und antiwestlich."
Über Jahre seien die Grassmann-Töchter wie eben auch ihr Vater aktive Teilnehmer an der Al-Quds-Demonstration gewesen, sagt Deidre Berger:
"Man darf nicht trivialisieren. Die aktive Teilnahme über Jahre. Diese Angestellte waren aktive Teilnehmer an einer Anti-Israel-Demonstration, wo sehr viel Antisemitismus jedes Jahr auftaucht."

Angeblich versehentliche Demo-Teilnahme

Maryam und Nadia Grassmann aber beteuern, dass es ein einmaliges Versehen gewesen sei. Schriftlich erklärt Maryam Grassmann, dass sie es zutiefst bedauert, Ohrringe mit Hisbollah-Symbolen getragen zu haben. Ein Interview will sie dazu aber nicht geben. Dafür spricht Ahmed Shah, der auch Autor, Regisseur und Leiter der Jugendtheaterwerkstatt Moabit ist:
"Wir als RCI-Kollektiv stellen uns gegen jede Form von Antisemitismus. Wir lehnen alle Formen von rassischen Ideologien, wie Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus und andere diskriminierende Diskurse entschieden ab."
Wirklich? Im letzten Jahr schlug der Theaterpädagoge und Sozialarbeiter noch ganz andere Töne an. Auf dem sogenannten Nakba-Tag im Mai 2015 sprach Ahmed Shah über das Engagement seiner Jugendlichen:
"Unsere Jugendlichen, die auftreten, die demonstriert haben gegen den Krieg in Gaza letztes Mal. Dass sie als Antisemiten dargestellt werden? Nein, die sind gegen eine Sache, die sind gegen Antisemitismus. Aber es gibt eine Sache, wogegen die noch mehr sind, das ist Israel. Wir sind Kämpfer gegen Antisemitismus, wir sind Kämpfer gegen Rassismus, und das heißt, wir müssen auch gegen den Apartheidstaat in Israel heute kämpfen. Wir sagen: Free, free Palestine! Free, free Palestine! Free, free Palestine!"
Schon in der Vergangenheit ist Shah mit seinem Theaterstück "Intifada im Klassenzimmer?!?" auffällig geworden. Eine Analyse des Zentrums demokratische Kultur bescheinigte ihm, dass das Theaterprojekt - Zitat - "antisemitische Stereotype reproduziere und diese so bei den Jugendlichen verfestige, statt sie zu dekonstruieren." Auch Benjamin Steinitz von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Berlin teilt diese Einschätzung. Ahmed Shah, sein Jugendtheaterbüro JTB und der Refugee Club Impulse RCI würden durchaus fragwürdige Arbeit leisten.
Benjamin Steinitz: "In der Rede vom Nakba-Tag sagt er auch, dass seine Jugendlichen vom RCI und JTB demonstrieren gegen den Krieg in Gaza, dass sie dafür als Antisemiten dargestellt werden, dass sie sich aber gegen Antisemitismus wenden, was ihm aber noch viel wichtiger sei, sei der Kampf gegen Israel. Er instrumentalisiert an dieser Stelle ganz klar die Geschichten der Jugendlichen. Israel soll dadurch als Unrechtsregime, als Pariastaat des 21. Jahrhunderts markiert werden, soll boykottiert, isoliert werden, und fordert im Prinzip die Abschaffung des Staates Israel."

Unterstützung der Israel-Boykott-Bewegung

Ahmed Shah sieht seine Arbeit als Teil einer "kulturellen Intifada", wie er in einem RCI-Video erklärt. Und dazu zählt auch die Unterstützung der Israel-Boykott-Bewegung BDS, Boycott, Divestment and Sanctions, also Boykott und Sanktionen gegen Israel. Nicht nur, dass in den Moabiter Räumen der Theatertruppe entsprechende Workshops stattgefunden haben. Auch organisierte das RCI-Theaterprojekt Anfang dieses Jahres den sogenannten "Karneval der Geflüchteten".
Benjamin Steinitz: "Dass dort nicht nur der Berliner Ableger der BDS-Kampagne den Karneval mit unterstützt, sondern auch eine Gruppe, die nennt sich For Palestine, ein Akronym für For one state and return to Palestine. Diese Gruppe spricht ganz offen aus, was BDS nicht offen sagt, die Situation kann nur verbessert werden über die Beendigung des zionistischen Einflusses. Eine Solidarität, die sich nur auf friedliche Mittel des Widerstandes bezieht, ist keine echte Solidarität."
Das aber scheint die Unterstützer wenig zu kümmern. Der Refugee Club Impulse ist ein Projekt der Arbeiterwohlfahrt AWO Berlin-Mitte. Und die beiden in die Kritik geratenen Grassmann-Töchter, die mit der Teilnahme am Al-Quds-Tag zumindest ihre Sympathie für die israelfeindliche Hisbollah kundgetan haben, arbeiten sogar bei der Arbeiterwohlfahrt.

Rückhalt bei der Arbeiterwohlfahrt

AWO-Leiter Manfred Nowak steht trotz aller Kritik zu allem:
"Die kümmern sich, das ist eine Organisation bestehend aus Flüchtlingen und aus Nicht-Flüchtlingen, die sich kulturelle Ziele gesetzt haben und damit versuchen, dem Gedanken der Integration zu begegnen. Das heißt also, den Menschen, den Flüchtlingen das kulturelle Leben hier bei uns nahe zu führen und sie aus der Depression und ihren traumatischen Beziehungen herauszulösen. Und die Frau Grassmann ist in der Tat seit vielen Jahren bei uns tätig, hoch engagiert und durch sie haben wir auch den Kontakt zu dieser Organisation gefunden."
Auch die erstinstanzliche Jury der senatseigenen Kulturprojekte GmbH wollte von Kritik zunächst nichts wissen. Sie hatte noch im März der 100.000-Euro-Förderung für Refugee Club Impulse RCI zugestimmt. Erst nach der Intervention des American Jewish Committee und ersten Presseberichten zog der letztinstanzliche Beirat die Zustimmung kurzfristig zurück. Jetzt wolle man besser prüfen, welche Arbeit von und mit Flüchtlingen gefördert wird, sagt der stellvertretende Geschäftsführer der Kulturprojekte GmbH Torsten Wöhlert:
"Natürlich haben wir eigene rote Linien. Das betrifft die Frage Antisemitismus, die Haltung zum Staat Israel, den Umgang mit Xenophobie, die Gleichberechtigung der Geschlechter, und das sind kulturelle Konflikte, die auf uns zukommen werden. Das ist für uns als Kulturfonds auch ein Lernprozess. Es ist die erste Runde, die wir mit solchen Projektbewilligungen haben."

Intervention des AJC in letzter Minute

Hätte also das American Jewish Committee nicht in sprichwörtlich letzter Minute interveniert, wäre dem RCI-Theaterprojekt eine erhebliche Summe zugesprochen worden. Nach dem Eklat hofft Deidre Berger vom Berliner AJC-Büro nun auf mehr Sensibilität beim Berliner Senat:
"Auch sehr wichtig ist, dass das Thema Antisemitismus jetzt auf der Tagesordnung ist in der Zusammenarbeit mit Flüchtlingen. Das ist besonders wichtig, weil die meisten Flüchtlinge aus Ländern kommen, wo es sehr weit verbreiteter antisemitische Stereotype gibt und viel Hass auf Israel. Und jetzt kommen diese Flüchtlinge nach Deutschland, wo Antisemitismus mit Recht gesellschaftlich verpönt ist, und wo es starke Bindungen an Israel gibt. Wie können wir das vermitteln? Das ist das Wichtigste: Wie können wir demokratische Werte vermitteln und den Flüchtlingen helfen zu verstehen, es gibt keinen Platz für Antisemitismus in Deutschland heute."
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