Die Bundesregierung will durch Steuersenkungen für Unternehmen den Konjunkturmotor wieder ankurbeln. Damit vertritt die Koalition einseitig die Interessen von Besserverdienenden auf Kosten breiter Bevölkerungsschichten.
Die deutsche Wirtschaft läuft schon sein ein paar Jahren nicht mehr rund. Die Geschäftserwartungen der Unternehmen sind bis heute düster. Ein nachhaltiger Aufschwung ist nicht in Sicht.
Gezielte wirtschaftspolitische Maßnahmen der Bundesregierung sollen die Konjunktur nun wieder auf Touren bringen. Ein wesentlicher Hebel ist dabei, Steuersätze für Unternehmen zu senken.
Kanzler Friedrich Merz und sein Vize Lars Klingbeil setzen ihre Hoffnungen dabei auf die neoliberale Grundüberzeugung, dass man nur die Gewinnerwartungen vor allem großer Unternehmen verbessern müsse, um den Konjunkturmotor in Schwung zu bringen. Auf diese Weise – die Hoffnung stirbt zuletzt – lasse sich „Wohlstand für alle“ schaffen, wie es die Präambel des Koalitionsvertrages in Anlehnung an Ludwig Erhard verspricht.
Wie ein „Investitionsbooster“ soll etwa die sogenannte Turbo-Abschreibung wirken. Damit können Firmen in den nächsten drei Jahren alle „beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens“ wie etwa Maschinen, technische Anlagen, Fahrzeuge und die Betriebsausstattung jährlich mit 30 Prozent steuerlich abschreiben. Dadurch können die Unternehmen höhere Gewinne machen, die sie anschließend dann auch noch geringer versteuern müssen, weil der Körperschaftsteuersatz ab 2028 in fünf Jahresschritten von 15 auf 10 Prozent sinkt.
Koalition heizt Steuersenkungswettlauf an
Unter dem christdemokratischen Bundeskanzler Helmut Kohl betrug die Körperschaftsteuer, gewissermaßen die Einkommensteuer der Kapitalgesellschaften (AGs und GmbHs), noch 30 bzw. 45 Prozent, je nachdem, ob die Gewinne ausgeschüttet oder einbehalten wurden.
Demnächst müssen selbst hochprofitable Konzerne kaum noch Steuern zahlen, wenn sie die Gewerbesteuer durch eine Verlagerung des Firmensitzes in eine Steuerdumping betreibende Gemeinde minimieren. Kein Wunder, dass der Dax von einem Rekordhoch zum nächsten stürmt!
Die Fixierung der CDU/CSU/SPD-Koalition auf Wettbewerbsfähigkeit heizt einen Steuersenkungswettlauf der Staaten an. Die neoliberale Standortlogik nützt aber den reichsten Volkswirtschaften, weil sie darauf basiert, durch Steuerdumping schwächeren Mitbewerbern mehr vom gemeinsamen Kuchen abzuschneiden.
Wohlhabende profitieren
Verteilungspolitisch ist die CDU/CSU/SPD-Koalition ignorant. Sie steht nicht aufseiten der Geringverdiener und der Mittelschicht, sondern aufseiten der Wohlhabenden, Reichen und Hyperreichen. Ihr wichtigstes Gesetzgebungsverfahren vor der Sommerpause bezweckte denn auch nicht eine materielle Besserstellung von Menschen im Niedriglohnsektor oder im Transferleistungsbezug, sondern eine Verbesserung der Gewinnaussichten von Unternehmen.
Dies gilt auch für die Senkung der Stromsteuer, die man allen Bürgern versprochen hatte, aber nur den Unternehmen des produzierenden Gewerbes und der Landwirtschaft gewährt.
Auch fast alle übrigen von der CDU/CSU/SPD-Koalition geplanten Reformen nutzen materiell Bessergestellten mehr als materiell Schlechtergestellten. Dies gilt für die „Aktivrente“, bei der im Ruhestand weiter Erwerbstätige für einen Monatsverdienst von bis zu 2.000 Euro Steuerfreiheit genießen sollen.
Das gilt aber genauso wie für die besonders bei einem hohen Steuersatz lukrative Erhöhung der Pendlerpauschale und für die Senkung der Mehrwertsteuer im Gastrobereich, wovon hauptsächlich Restaurantbesitzer, Hoteliers und deren betuchte Gäste profitieren.
Bürgergeld wird eingefroren
Auch durch die massive Aufrüstung werden die Reichen, denen Rüstungsaktien von Unternehmen wie Rheinmetall gehören, reicher und die Armen, deren Regelleistungen beim Bürgergeld bis zum 31. Dezember 2026 eingefroren werden, zahlreicher.
Laut dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD soll eine Senkung der Einkommensteuer „für kleine und mittlere Einkommen“, wie es im Koalitionsvertrag heißt, quasi einen sozialen Ausgleich schaffen, allerdings erst „zur Mitte der Legislatur“ und bloß für den Fall, dass es die finanzielle Lage des Bundes zulässt.
Eine Erklärung, wie das geschehen soll, ohne im progressiven Steuersystem der Bundesrepublik die großen Einkommen sehr viel stärker zu entlasten, lässt aber auf sich warten.
Prof. Dr. Christoph Butterwegge hat von 1998 bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt und zuletzt die Bücher „Deutschland im Krisenmodus“ sowie „Umverteilung des Reichtums“ veröffentlicht.