Spendenaffäre am MIT Media Lab

Wann ist Geld zu schmutzig, um es anzunehmen?

14:09 Minuten
Lawrence Lessig, Rechtsprofessor an der Harvard University, aufgenommen am 22.02.2019 bei einer Rede vor dem Washington Supreme Court
Lawrence Lessig, Rechtsprofessor an der Harvard University, kennt das toxische Verhältnis von kriminellen Philanthropen und Funding-abhängigen Wissenschaftlern. © picture alliance/AP Photo/Ted S. Warren
Von Jenny Genzmer · 21.09.2019
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Das Massachusetts Institute of Technology hat eine Affäre. Es geht um Geld des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein, das ans Media Lab floss. Die Forschung ist abhängig von Spenden – da ist die Versuchung groß. US-Rechtsprofessor Lawrence Lessig über die Fallstricke.
Wenn es etwas gibt, das wir aus der MIT-Spendenaffäre lernen können, dann ist es dies: "Some crimes are different than other crimes."
Manche Verbrechen sind anders als andere Verbrechen. Das sagt Lawrence Lessig, Rechtsprofessor an der Harvard University. Er ist bekannt geworden als einer der Vordenker des Internets, Erfinder der Creative Commons Lizenzen und Autor von Büchern über institutionalisierte Korruption.

Lawrence Lessig: "Noch nicht genug Sensibilität"

Heute macht er sich den Vorwurf, seinem Freund und ehemaligem MIT Media Lab-Direktor Joi Ito nicht von den Spenden Jeffrey Epsteins abgeraten zu haben. Auch wenn Ito auf Anonymisierung bestanden habe. Epsteins Verbrechen – Sexhandel und Missbrauch von Minderjährigen – sei so ein "anderes Verbrechen".
"Der Unterschied ist, wenn du eines Tages herausfindest, dass ein Steuerhinterzieher für deine Institution spendet, und das war anonym, dann kannst du sagen, na gut, immerhin haben wir noch andere. Aber wenn es um eine pädophile Person geht, dann triggert das bei vielen schmerzhafte Erkenntnisse.
Wie kann ich nur für eine Institution arbeiten, die von einem Pädophilen unterstützt wird. Das ist eine faire Frage und ich denke, da gibt es bei denen, die in den Entscheidungsprozess involviert sind, noch nicht genug Sensibilität bei der Frage – was passiert, wenn das rauskommt. Was würden die Leute fühlen, wenn das raus kommt?"
Joi Ito, Ex-Direktor des MIT Media Lab am New Yorker Massachusetts Institute of Technology, aufgenommen im Dezember 2018
Musste aufgrund einer Spendenaffäre zurücktreten: Joi Ito, Ex-Direktor des MIT Media Lab am New Yorker Massachusetts Institute of Technology.© picture alliance/Dai Nagasawa/Jiji Press/dpa
Lessig kennt den Fundraiser-Job – diesen steten Druck, die Finanzierung eines Forschungsinstituts sicherstellen zu müssen. Gleichzeitig gebe es eine lange Tradition von Philanthropie und Mäzenatentum in den USA, darunter einige Milliardäre, die sich mit der Unterstützung von Wissenschaft und Kunst ihren Ruf reinwaschen.

Spenden der Sackler-Familie

Gegen Spenden der Sackler-Familie, die sich an der Opioid-Krise in den USA bereichert hat, regt sich immer mehr Widerstand. Museen wie das Guggenheim oder das Louvre wollen keine Sackler-Spenden mehr annehmen. Aber was ist mit dem Geld des kürzlich verstorbenen David Koch, der Klimawandel-Leugner unterstützte – und das MIT Krebsforschungsinstitut finanzierte?
"Meiner Ansicht nach solltest du dieses Geld nicht nehmen. Aber ich bin kein König. Ich kann die Regeln nicht ändern. Es ist besser, wenn du das Geld nicht nimmst, aber wenn du es nimmst, dann musst du es anonym machen. So, dass du dich nicht zu einer Ruf-Reinigungsmaschine machst."
"Im not King", sagt Lessig, er ist nicht König – also auch nicht derjenige, der an dem System der Forschungsfinanzierung etwas ändern könnte. Aber ist Anonymität die richtige Antwort auf das toxische Verhältnis krimineller Philanthropen und Funding-abhängigen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen? Denn die Versuchung, auch schmutziges Geld anzunehmen, ist groß.

Prozesse von Institutionen prüfen lassen

Lessig selbst betont, das die Anfälligsten für das Geld von Kriminellen jene seien, die von sich glauben, Gutes zu tun.
"Wenn du glaubst, das Richtige zu tun, vergibst du dir, Schlechtes zu tun. Ich kann Menschen leicht verstehen, die sagen, wir versuchen Krebs zu heilen – wenn ich Geld von Kriminellen nehme, dann hilft das Geld dieser Person, Krebs zu heilen. Ich denke, das ist ein generelles Problem, über das wir nachdenken sollten", sagt Lessig.
"Und wir sollten Institutionen schaffen, die diesen Prozess überprüfen", fährt er fort. "Wenn du anonyme Geldgeber hast, kann darüber nicht nur die Abteilung für Fundraising entscheiden, dafür sollte es innerhalb von Universitäten eine Art Gremium oder Rat geben, der sich das regelmäßig anschaut."
Jeffrey Epstein, ein US-amerikanischer Investmentbanker und verurteilter Sexualstraftäter, zu sehen im Profil zwischen zwei anderen Männern
Die MIT-Verantwortlichen wussten, dass Jeffrey Epstein (M.) angeklagt wurde, Minderjährige zu missbrauchen.© imago images / ZUMA Press / Uma Sanghvi
Lessig weist zurecht darauf hin, dass der zurückgetretene Media Lab-Direktor Joi Ito nicht der Alleinverantwortliche in der Spendenaffäre war. In die Entscheidung, Geld von Jeffrey Epstein anzunehmen, um Media Lab-Projekte zu finanzieren, war ein ganzer Kreis Verantwortlicher am MIT. involviert – wohlwissend, dass Epstein angeklagt wurde, Minderjährige zu missbrauchen.
Würde ein verantwortliches Gremium, wie es Lessig vorschlägt, an Universitäten, in NGOs oder auch in Vereinen in Deutschland anders entscheiden? Wie systematisch und transparent müssten solche Entscheidungen ablaufen und wann ist schmutziges Geld zu schmutzig, um es anzunehmen?
Lawrence Lessig sagt, Transparenz befördere nur "Greenwashing"– Anonymität hingegen fördert unsichtbare Seilschaften – und behindert die öffentliche Debatte.
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