Sabrina Janesch: "Sibir"

Über das Trauma der Deportation

12:05 Minuten
Sabrina Janesch sitzt auf einem grauen Sessel vor einer violetten Wand.
Teil der Geschichte ihres Romans "Sibir" sind die Erinnerungen ihres Vaters von der Verschleppung der Familie in die ferne Steppe, erzählt die Autorin Sabrina Janesch. © Frank Zauritz
Sabrina Janesch im Gespräch mit Frank Meyer · 01.02.2023
Audio herunterladen
Sabrina Janeschs Roman "Sibir" ist auch die Geschichte ihrer Familie, ihres Vaters. Deportiert nach Kasachstan, muss sich der heranwachsende Josef in der rauen Steppe behaupten. In Deutschland holt ihn Jahrzehnte später seine Vergangenheit ein.
Ein kleiner Junge wird nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Mutter und seinen Großeltern von der Sowjetarmee nach Kasachstan deportiert. Es ist eine raue Umgebung mit vielen Bedrohungen, in der Josef aufwächst.
Sabrina Janeschs hat sich für diese Geschichte ihres Romans "Sibir" von ihrer eigenen Familiengeschichte inspirieren lassen. Janeschs Vater, geboren 1942, wurde ebenfalls mit seiner Familie deportiert. "Sie haben es genannt 'nach Sibirien'. Heute würde man sagen 'Kasachstan'", erläutert die Autorin den Titel ihres Buches.

Eine Geschichte, die Hundertausende teilen

Die Erinnerungen ihres Vaters an das Leben der Familie in der kasachischen Steppe seien für sie so lebendig, dass es für sie mit ihren eigenen Kindheitserinnerungen verwoben sei, erzählt Janesch: "Und dieser Eindruck führt genau auch zu dem Konstrukt, dem Konzept des Romans."

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
In der Vorbereitung habe sie recherchiert, dass laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages etwa 300.000 bis 800.000 deutsche Zivilgefangene – keine Kriegsgefangenen - gen Osten verschleppt worden seien. "Teils in Lagern interniert oder aber einfach in der Steppe ausgesetzt, so wie etwa meine Familie." Sie sei nun dorthin gereist, nach Kirgisistan und Kasachstan, und habe das Haus der Familie dort gesucht und auch gefunden.

Auch eine Geschichte der Wunder

Den Geschichten ihres Vaters von seinem Aufwachsen und Leben dort habe stets "eine Ahnung von Wunder" oder "tiefer Verwunderung" angehaftet, die sie nun auch in "Sibir" genutzt habe. "Dies bezog sich eigentlich auf alle Phänomene der Steppe auf die Schlangen, die da lebten, die Steppenwölfe, den Fluss, den Schneesturm, das Tauwetter", so Janesch.

Unerhört, riesig, mächtig und gewaltvoll – ich denke, diese Verwunderung, die ich als Kind verspürt habe bei diesen Geschichten, die ist eingeflossen in den Ton, den ich für diesen Roman gefunden habe.

Autorin Sabrina Janesch

Ebenso zentral wie diese Weite und das Gewaltvolle ist auch eine Angst. Janesch spricht hier von einem „Echoraum“, der eben auch noch da sei nach der Rückkehr in Deutschland, in Niedersachsen, wo sich die Familie geschämt habe, überhaupt von dieser Zeit zu erzählen: Weil allein der Fakt, dorthin deportiert worden zu sein, für die Mitmenschen Beleg für irgendeine Schuld sei.
Diese Kriminalisierung der Rückkehrer habe zu großer Scham, Angst und Sorge geführt – und letztlich auch dazu, über das Geschehene lieber zu schweigen, sagt Janesch.

Auch ein Roman über Freundschaft

Und Janesch erklärt: „Man könnte natürlich sagen, dass ist maßgeblich ein Roman über Kindheiten über Traumata, über Verschleppung. Aber für mich ist es ein Roman über Freundschaften."

Sabrina Janesch: „Sibir“
Rowohlt, Berlin 2023
350 Seiten, 24 Euro

Sie habe versucht zu schildern, wie wichtig es für den jungen Josef Ambacher ist, "in seinem kasachischen Freund auch eine Therapie zu haben und eine Liebe, die er erfährt von dem Freund und von seiner Familie.“
Mehr zum Thema