Schulreformen infolge Corona

Ein großes Experiment mit vielen Chancen

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Ein Junge sitzt zu Hause an seinem Schreibtisch vor dem Computer und lernt
Künftig könne es mehr digitales Lernen geben, sagt Anne Sliwka. Dann sei in der Schule mehr Zeit für Diskussionen. © imago/Jochen Tack
Anne Sliwka im Gespräch mit Dieter Kassel · 29.04.2020
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Bis zu den Sommerferien findet Schule weiter überwiegend zu Hause statt. Die Bildungsforscherin Anne Sliwka sieht darin Chancen für die Zukunft des Lernens nach Corona: Potenzial sieht sie in digitalen Plattformen, Kleingruppen und Lehrerteams.
Kein regulärer Unterricht, aber zumindest zeitweise in die Schule: Das soll nach einem Vorschlag der Kultusminister für alle Schülerinnen und Schüler bis zu den Sommerferien gelten. Für die Bildungsforscherin Anne Sliwka ist klar, dass die Zeit des überwiegenden Homeschoolings genutzt werden müsse, um längst fällige Reformen für die Zeit nach der Coronapandemie in die Tat umzusetzen: "Das ist ein großes Experiment, das viele Chancen bietet."
So werde künftig wahrscheinlich selbstständiges Lernen zu Hause eine größere Rolle spielen als vor der Krise: Bei dem so genannten "umgedrehten Klassenzimmer" würden Lehrkräfte auf Online-Plattformen beispielsweise Lernvideos bereitstellen. Der Vorteil: "Im Präsenzunterricht hat man Zeit für mehr Diskussionen, für mehr kooperatives Lernen und Formen der interaktiven Zusammenarbeit."

Lehrerteams verbessern den Lernerfolg

Dabei sei eine schon längst fällige, verstärkte Teamarbeit der Lehrkräfte notwendig, sagt Sliwka, die an der Universität Heidelberg Bildungswissenschaft lehrt. Wenn sich das Kollegium besser untereinander abstimme, habe das eine "hohe Wirksamkeit" auf den Lernerfolg: "Jetzt ist die Zeit dafür gekommen, dass man das macht." In den Fachteams könnten dann manche den Präsenzunterricht übernehmen und andere den digitalen.
Ein "Gebot der Stunde" seien aus Sliwkas Sicht zudem kleine, flexible Lerngruppen - eine Idee, die schon länger erforscht sei und die man später weiter nutzen könne. Zu den Gruppen, die zur Zeit in den Schulen unterrichtet werden, meint Sliwka, dass Freunde zusammenkommen müssten. Denn sie hätten nach sechs Wochen Pause eine Sehnsucht nacheinander: "Wir wissen, dass es für Jugendliche der Hauptfaktor ist, warum sie überhaupt in die Schule kommen – um ihre Freunde zu treffen." Dann funktioniere auch das Lernen besser.
(bth)
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