Kreatives Homeschooling in Coronazeiten

Wenn aus Mama "Frau Fräulein Honig" wird

05:56 Minuten
Ein Tisch mit aufgeklappten Federmäppchen, einem Stundenplan, Schreibutensilien und Bechern.
Für jedes Kind einen Plan: Homeschooling muss gut organisiert werden. Aber es braucht auch Ideen, um die Kinder zu motivieren. © Stephan Beuting
Von Stephan Beuting · 06.04.2020
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"Frau Fräulein Honig" und "Frederick Freiherr von und zu Knüppelkuh-Bödefeld": Stephan Beuting und seine Frau haben aus Homeschooling eine Art Rollenspiel gemacht. Neben Mathe & Co. stehen auch Alltagsfragen auf dem Stundenplan. Etwa: Warum riecht der Pups?
"Guten Morgen, Herr Frederick Freiherr von und zu Knüppelkuh-Bödefeld!" Tag eins der Schulschließung, ich bin Sachkundelehrer, mein Name: Frederick Freiherr von und zu Knüppelkuh-Bödefeld. Meine Schule – das sind Theo, 7, und Josi, 10. Unser erstes Thema ist etwas, das uns in Bonn in diesem Jahr schon früh beschäftigt hatte.
"Wir waren in der Sachunterrichtsstunde und dann haben wir Plakate gestaltet und einen Film geguckt zu Hochwasser", sagt Josi. "Dann haben auch noch im Netz recherchiert und einen Spaziergang zum Rhein gemacht."
"Und wir haben gelernt, wo das Wasser überhaupt herkommt", ergänzt Theo.
Ein richtig gutes Gefühl, selber Themen aussuchen und umsetzen. Nach Hochwasser kommen Burgen und Festungen. Eine Doku aus dem Netz. Die Plattform: Terra X statt Schule, Lernform: Quiz.
"Wir haben einen Zettel bekommen und Burgen und Festen geschaut und dabei mussten wir dann immer stoppen und die Fragen beantworten", erklärt Josi.

Schule als Rollenspiel

Statt Schulgong drücken wir morgens die Haustürklingel, statt acht Uhr sagt unser Biorythmus, dass halb neun eine gute Zeit ist anzufangen. Und dabei mal eine andere Rolle einzunehmen, das macht Spaß. Melanie hatte zur ihrer sogar die passende Brille.
"Guten Morgen Frau Fräulein Honig!", sagen Theo und Josi. "Frau Fräulein Honig…"
Das waren bestimmt vier Tage, die extrem gut liefen.
"Ja, in den ersten Tagen haben wir uns ein Spiel daraus gemacht", findet auch "Frau Fräulein Honig".
Alles neu, alle extrem motiviert. Könnte so weitergehen, dachten wir uns…
"Das hat dann nachgelassen, wieder, weil dann doch so eine Ernsthaftigkeit da reinkam", sagt Melanie. Seit vielleicht einer Woche hat sie ihre Brille jetzt nicht mehr aufgehabt.

Tricks, wie man die Kinder motiviert

Schule, das ist der Ort wo Josi und Theo sonst angepasst sind, zu Hause der Ort, wo eher mal die Fetzen fliegen. Anfangs haben wir davon profitiert. Aber es war eine Frage von Tagen, bis sich das zu etwas Neuem mischen würde. Nur morgens gab es ein Problem mit Mathe, ein Motivationsproblem.
"Und dann war Mama ein bisschen strenger geworden", sagt Theo.
Zwischen den beiden liegt ein Pappstreifen mit zehn Nummern.
"Ein Zahlenstrahl."
"Mit einer Wäscheklammer. Wo hängt die?"
"Auf der neun."
"Das ist ein Zahlenstrahl, weil es gerade schwierig wurde mit der Konzentration, mit der Motivation beim Rechnen, damit Theo einfach diese Menge an Aufgaben schafft", erklärt Melanie. "Also, es ist etwas negativ. Die Wäscheklammer schreitet fort bis zur zehn, wenn Theo nicht weiterarbeitet und wir haben gesagt, wenn du auf der zehn landest, dann werden wir heute statt Fernsehen gucken heute Nachmittag dann noch arbeiten. Heute steht er bei der neun. Und dann hat er es gepackt und weitergemacht."

Podcasts für die Großeltern

Das Gute daran, Mathe und Deutsch – also die Pflicht – nimmt gar nicht so viel Platz ein. Das geht in der Regel bis 11 Uhr, dann ist das geschafft. Und dann ist jede Menge Raum für die Kür, für die Dinge, die wir uns immer schon mal vorgenommen hatten, aber bislang nie gemacht haben.
"Wir haben auch Höchstens-Fünf-Minuten-Podcasts für unsere Großeltern gestaltet. Einmal über Püpse, einmal über einen Detektiv-Fall und einmal über Homeschooling."
Die Pups-Geschichte, das war die erste Idee...
"Also meistens riechen meine nach Kohlrabi, puuups…eklig, puups..."
Eine Stunde Recherche, Stichworte notiert, große Frage, wie entsteht ein Pups und wann riecht er, Action.
Der Neurobiologe Gerald Hüther hat in einem Interview bei Deutschlandfunk Kultur geraten, sich einfach mal treiben zu lassen, sich mit alltäglichen Dingen zu beschäftigen, die in der Schule keinen Platz haben. Eine dieser alltäglichen Fragen, die bei uns immer wieder auftaucht: Wohin verschwindet Melanie eigentlich tagsüber, wenn sie in Hausschuhen die Wohnung verlässt?
"Aha, der Wäschekorb ist leer", sagt Theo. "Wahrscheinlich ist sie im Keller. Ich geh jetzt in den Keller ..."

Man erkennt, wie viel Lehrer eigentlich leisten

Am Ende sind es vier Folgen, die letzte war dann eine Mischung aus Detektivgeschichte und Hörspiel:
"Ein Stück Seife wird auf der der Wiese gefunden und es gibt Rätsel auf. Denn es sind Bissspuren zu sehen. Ein Fall für das Ermittlerteam Beuting/Beuting. (Telefon) Hallo, hier ist Mr. Hitchcock. Was können wir für Sie tun?"
Wir gehen in Hitchcocks Auftrag auf die Suche und finden heraus, dass es Alex war, vier Jahre, direkt aus der Nachbarschaft.
"Gut gemacht, ich bin stolz auf euch. Jetzt wissen wir, wer der mysteriöse Seifenbeißer ist."
Check: Cystein sorgt dafür, dass der Pups stinkt. Und wer zuerst eine einfache Detektivgeschichte erzählt, der weiß bei der nächsten, wie er das Ganze noch etwas praller machen kann.
Nach gut zwei Wochen wissen wir jedenfalls, was Schule im Alltag leistet, was sie uns abnimmt, ganz klar ist das eine Riesenleistung, Kinder in den Zustand konzentrierten Lernens zu überführen und dort zu halten. Danke dafür an die Lehrerinnen und Lehrer und das System als Ganzes.
Andererseits merken wir, dass wir gern öfter dabei wären, wenn es in Gedanken blitzt, wie sich etwa die Peaks von Schneeschmelze, Untergrund-Abfluss und Niederschlag beim Hochwasser überlagern. Und die Kinder das verstehen. Wenn das alles mal vorbei ist und der Betrieb wieder läuft, dann wünschen wir uns jedenfalls, dass sich diese Energie zukünftig nicht nur in der Schule, sondern auch mal öfter bei uns zu Hause entlädt.
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