Schlecht bezahlte Tagesmütter

Viel Einsatz, wenig Lohn

06:19 Minuten
Kleinkinder toben in einem Spielzimmer.
Kein Wunder, dass der Hüpfball ein Gesicht zieht: Viele Tagesmütter müssen sich auf geringe Renten und Altersarmut einstellen. © picture alliance / dpa / Jens Büttner
Von Katharina Thoms · 10.10.2022
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Weil es zu wenig Kita-Plätze gibt, werden dringend Tagesmütter benötigt. Bezahlt werden sie vor allem von den Kommunen, allerdings gering. Vorbereitung, Aufräumen oder Büroarbeit werden nicht vergütet. Nun werden die Tarife nachverhandelt.
Im Spatzennest wird gerade gekocht, der Tisch gedeckt. In der Puppenküche im großen, sonnendurchfluteten Spielzimmer. Die blonde Nele räumt den Schrank aus. Die kleine Matilda schleift einen Plüschhund nach nebenan in die Spiel- und Kuschelecke zu Helena.
15 Uhr: Gleich werden die Kinder abgeholt. Kerstin Brodbeck ist dann aber noch nicht fertig. Die 59-jährige Tagesmutter spielt, kocht und betreut die Kinder seit sieben Uhr. Sie mache das gerne und es mache ihr Spaß, erzählt sie. Aber manchmal sei es „auch viel“.
Insgesamt sieben Kinder kommen jeden Tag zu Kerstin Brodbeck, alle unter drei Jahren. Die meisten sind Kleinkinder in der Kindertagespflege in Baden-Württemberg. Mehr als fünf dürfen aber nicht gleichzeitig da sein. Manche kommen früher, andere bleiben länger. Das heißt auch: Die Gruppen sind klein, die Atmosphäre familiärer.

Hart verdientes Geld

Brodbeck hat sich vor zehn Jahren für die Kindertagespflege entschieden, sich selbstständig gemacht. Eigentlich arbeitet sie als Kirchenmusikerin, bis sie ihr siebtes Kind bekommt: „Unser Nachzügler-Kind mit einer Behinderung. Das hat unser Leben so ein bisschen auf den Kopf gestellt. Vor allem meins, weil dann es viele Therapien gab und ich nicht mehr so viel in meinem alten Beruf arbeiten konnte.“
Nachdem die Kleine aus dem Gröbsten raus war, habe sie die Ausbildung zur Tagesmutter angefangen. „Weil man von zu Hause betreuen kann, meine Tochter mit dabei sein konnte.“
Heute geht die Tochter zur Schule. Kerstin Brodbeck ist bei dem Job geblieben. Die Nachfrage ist groß. Überwiegend arbeiten Frauen in der Kindertagespflege. Nur vier Prozent sind Tagesväter in Baden-Württemberg.

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Es ist hart verdientes Geld. „Es ist nicht so, dass man damit große Sprünge machen kann“, sagt auch Kerstin Brodbeck. Sie bekommt pro Kind 6,50 Euro in der Stunde. Der Betrag muss fast alles abdecken. „Es wird keine weitere Zeit vergütet. Es wird auch kein Urlaub bezahlt. Er wird abgezogen von der Leistung. Das wird dann auf zwölf Monate, zwölf gleiche Beiträge ausgezahlt. Auch Krankheitstage werden nicht vergütet.“

Aufräumen und Büroarbeit bleiben unbezahlt

Die 6,50 Euro pro Kind und Stunde haben Kommunen und Tageselternverband erarbeitet, als Empfehlung. Die meisten Landkreise halten sich daran, so der Kindertagespflegeverband Baden-Württemberg. Die Kreise sind zuständig für die Bezahlung, übernehmen den Hauptanteil. Das Land Baden-Württemberg beteiligt sich mit mehr als 100 Millionen Euro an der Finanzierung, vor allem bei den Betriebskosten.
Kerstin Brodbeck bekommt auch noch eine kleine, freiwillige Pauschale von der Gemeinde, zwischen 40 und 120 Euro pro Platz, und die Eltern zahlen einen kleinen Betrag, etwa 40 Euro. Die Arbeit außerhalb der Betreuungszeit wird allerdings nicht extra bezahlt. Sie bereite beispielsweise viel Essen vor, weil es schwer sei, während der Betreuung der Kinder noch zu kochen, sagt Brodbeck.
Dazu komme Zeit fürs Aufräumen und Saubermachen und all die anderen Dinge darum herum: Elterngespräche, Dokumentation, Abrechnungen, Verwaltungszeug. „Das ist eine ganze Menge, was da noch zusammenkommt.“

Niedrige Renten und Altersarmut

Allerdings stehe Baden-Württemberg noch gut da, sagt Christine Jerabek vom Kindertagespflegeverband: „Baden-Württemberg bezahlt seine Kindertagespflegepersonen am besten bundesweit.“
Trotzdem verdienen Tagespflegepersonen weniger als angehende Erzieherinnen in Baden-Württemberg. Eine Studie im Auftrag des Bundesverbands Kindertagespflege hat errechnet, dass sie in Baden-Württemberg im Schnitt 20.000 Euro netto im Jahr verdienen.
Die verbandseigene Studie warnt vor niedrigen Renten und Altersarmut, vor allem mit Blick auf andere Bundesländer: Im Vergleich zum Südwesten mit rund 20.000 Euro verdienen Tagespflegepersonen in Berlin nur etwas mehr als 16.000 Euro, in Thüringen sogar nur 10.000 Euro netto im Jahr.
„In der Regel steigen diese Leute in höherem Alter ein, in der zweiten Lebenshälfte“, sagt Christine Jerabek vom Kindertagespflegeverband Baden-Württemberg. „Dann kann man sich das ja ausrechnen, wie viel dann angesammelt wird für die Rente. Das ist nicht viel.“

Bezahlung wird neu verhandelt

Seit vier Jahren hat sich in Baden-Württemberg an der Bezahlung nichts geändert. Jetzt sei Zeit, das zu ändern, sagt Jerabek. Aktuell laufen die Verhandlungen zwischen Landkreisen und dem Kindertagespflege-Verband. Wenn es nach ihm geht, sollten aus den 6,50 Euro mindestens 9,50 Euro pro Kind und Stunde werden.
Der Landkreistag äußert sich nur schriftlich. „Es wird zweifellos eine Erhöhung geben“, schreibt er. „Zu Einzelheiten kann aufgrund der laufenden Verhandlungen allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Auskunft gegeben werden.“
Verhandelt wird auch über eine Entlastung auf anderer Ebene. Die Landkreise übernehmen bei Tageseltern immerhin die Hälfte der Sozialversicherung, wie ein Arbeitgeber. Aber „manche Landkreise bezahlen das monatlich aus, dann ist gut. Manche fassen das aber zusammen und bezahlen das vierteljährlich aus. Dann geht man in Vorleistungen, muss haushalten“, erklärt Christine Jerabek.
Wer dann noch Kinder aus verschiedenen Kreisen betreut, hat den Papierkrieg. Der Landkreistag will nach eigener Auskunft zumindest darüber reden, das anzugleichen.

Mehr Zeit für Gespräche

Abflug im Spatzennest: Matilda, Nele und Helena dürfen nach Hause. Kerstin Brodbeck räumt die Bücher weg, die Puppenküche auf. Sie wäre mehr als froh, wenn endlich der Stundensatz erhöht würde, damit auch das bezahlte Arbeitszeit wird. Vor allem mit Blick auf die teureren Lebensmittel, die steigende Inflation.
Die Tagesmutter will nicht gern mehr Geld von den Eltern verlangen. Sie hätte lieber mehr Zeit für Gespräche mit ihnen, bezahlte Zeit.
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