Russisches Online-Magazin

"Meduza" - regierungskritische Medienstimme im Exil

18:11 Minuten
Blick über den Fluss Daugava auf die Stadt Riga
Die Redaktion von "Meduza" ist frühzeitig ins Exil nach Riga gegangen und berichtet nun aus der Hauptstadt von Lettland über russische Politik und den Krieg in der Ukraine. © PantherMedia / Valerijs Novickis
Moderation: Jenny Genzmer und Dennis Kogel |
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Die verbliebene Pressefreiheit in Russland wird derzeit von staatlicher Seite zerstört. Viele Medienhäuser mussten den Betrieb einstellen, andere wurden verboten. Dagegen wehrt sich das russischsprachige Online-Magazin "Meduza" in Riga.
Wie berichtet man über einen Krieg, wenn man ihn nicht Krieg nennen darf? Vor dieser Aufgabe stehen zurzeit russische unabhängige Medien, die vom russischen Staat mit Zensur und Haftstrafen bedroht werden. Vor Kurzem stellte sogar die unabhängige Zeitung "Nowaja Gaseta", die vom Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow geführt wird, ihre Berichterstattung ein. Unter den Bedingungen des Krieges erschien es unmöglich, weiter unabhängigen Journalismus zu machen.

Noch gibt es wenige kritische Medien

Trotzdem gibt es noch einige wenige russische Medien, die mit ihrem Journalismus Widerstand leisten. Dazu gehört das Online-Magazin "Meduza". Der Name bedeutet auf Deutsch Qualle. Nach eigenen Angaben erreicht "Meduza" mehr als 7,5 Millionen Leser und Leserinnen im Monat. Im Moment lassen sich auf der Homepage vor allem Berichte über den Krieg in der Ukraine, Reportagen vor Ort über die Lage der Menschen in Städten wie Tschernihiw und Insider-Berichte aus dem Kreml finden.
Bei "Meduza" findet ein junger, kritischer und investigativer Onlinejournalimus statt. Das kommt nicht von ungefähr. "Meduza" sei wohl das westlichste russische Medium, weil es auch viele Textarten und Konventionen aus den USA und Europa übernehme, sagt Tamina Kutscher, Chefradakteurin der Medienplattform Dekoder.org.

Man wusste, es wird noch schlimmer werden

Die Geschichte von "Meduza" ist wiederum eng mit dem Online-Magazin "Lenta" aus Moskau verbunden. 2014 wurde die Chefredakteurin von "Lenta", Galina Timchenko, gefeuert, um sie durch einen regierungsfreundlichen Nachfolger zu ersetzen.
In der Redaktion regte sich Protest. „Nein! Wir arbeiten nicht mit diesem Kerl. Ohne Galina machen wir nicht weiter“, sagte Ivan Kolpakov, damals der Stellvertreter von Galina Timchenko und heute der Chefredakteur von "Meduza".
Zu dieser Zeit verloren alle in der "Lenta"-Redaktion ihren Job und "Meduza" wurde gegründet. Schon damals sei Ivan Kolpakov klar gewesen, dass der russische Staat noch härter gegen die Presse vorgehen werde. Deshalb seien sie ins Exil nach Riga gegangen und seien so heute eine der noch wenigen kritischen Medienstimmen für Leser und Leserinnen in Russland.

Zwischen den Fronten

Bereits in der Vergangenheit musste sich "Meduza" immer wieder gegen die Versuche der russischen Regierung wehren, sich in die Berichterstattung einzumischen. Im Ukraine-Krieg ist das Online-Magazin zwischen die Fronten von staatlicher Zensur und westlicher Sanktionen geraten.
"'Meduza' wird jetzt komplett geblockt in Russland. Die verbliebenen ReporterInnen müssen aus dem Land fliehen, um nicht verhaftet zu werden. Und die Sanktionen des Westens blockieren die Crowdfunding-Zahlungen ihrer Supporter", erzählt Journalist Dennis Kogel.

Internationale Rettung

Das bringt "Meduza" in große finanzielle Schwierigkeiten. Unterstützung bekommt das Onlinemagazin von der Journalismus-Plattform "Krautreporter" aus Deutschland: "Sie kamen wirklich im letzten Moment. Wir dachten über unsere Zukunft nach und Krautreporter tauchten auf und sagten: Leute, wir wollen helfen, wir wissen, was zu tun ist in diesem schrecklichen Moment. Denn ganz gewöhnliche Leute wollen jetzt helfen", erzählt "Meduza"-Cheredaketur Ivan Kolpakov.
Das Crowdfunding-Projekt sucht UnterstützerInnen aus der ganzen Welt. "Die Redaktion hat mir erzählt, dass sie etwa 3.000 regelmäßige Unterstützer gewonnen haben und dass die einmaligen Spenden an die Redaktion ihnen etwa zwei Monate Zeit erkauft haben, bevor das Geld ausgeht", sagt Dennis Kogel.
Medienwissenschaftler Stephan Weichert, Gründer des ThinkTanks Vocer und Co-Direktor des Instituts für Digitale Resilienz, ist allerdings skeptisch, ob die Maßnahme langfristig etwas bringt. Zudem würde er sich noch Unterstützung von anderer Seite wünschen: "Für mich ist eigentlich die Frage: Müssen da nicht NGOs eingreifen? Muss es da nicht ganz andere Mittel von anderer Stelle geben? Warum überlässt man das jetzt kleineren Initiativen?"
Den Journalisten Dennis Kogel hat die Geschichte von "Meduza" und ihr Wille weiterzumachen dennoch sehr beeindruckt: "Sie wollen weiter darüber informieren, was wirklich passiert in der Ukraine, in Russland, in der Welt und das eben durch die Mittel des Internets und mit Hilfe internationaler Netzwerke."
Das stimme optimistisch, sagt Kogel. "Aber ich glaube, dieser Optimismus hat auch ganz klare Grenzen." Diese Grenzen seien den JournalistInnen von "Meduza" durchaus bewusst. Dennoch soll die Crowdfunding-Kampagne weitergehen.

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