Rüdiger Trojok: "Biohacking"

Ein Gen-Labor für jedermann

Laborgefäße, wie Glaskolben und Messzylinder, mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten
Selbst herumexperimentieren - mit Genen: Das ist bald Alltag, glaubt Biologe Rüdiger Trojok. © dpa / Michael Rosenfeld
Von Michael Lange · 11.05.2016
Wie baue ich mir mein eigenes gentechnisches Labor? Das erklärt der Do-it-yourself-Biologe Rüdiger Trojok in dem Sachbuch "Biohacking". Bald werde jeder zu Hause mit Genen herumexperimentieren - davon ist der Biohacker überzeugt.
Jeder könnte zu Hause in der eigenen Küche Gentechnologie betreiben. Davon ist der Biohacker und Do-it-yourself-Biologe Rüdiger Trojok überzeugt. Sein Ziel: Er will diese Zukunftstechnologie demokratisieren und nicht wie bisher staatlichen Forschungsinstituten, Biotechnologiefirmen und Großkonzernen überlassen. DNA, RNA und Proteine sollen kein Machtinstrument einer Elite sein, sondern zum Alltag jedes Bürgers gehören.

Wie baue ich aus einem CD-Spieler eine einfache Zentrifuge?

Kurz und knapp liefert Rüdiger Trojok das Rüstzeug, mit dem jeder für sich selbst zu Hause oder im gemeinschaftlich genutzten Hacker-Space loslegen kann. Der erste Teil des Buches ist eine Art Crashkurs - eine Einführung in die moderne Molekularbiologie und die Gentechnik. Wie funktioniert DNA? Wie ist eine Zelle aufgebaut? Es folgen praktische Tipps: Wie baue ich aus einem CD-Spieler eine einfache Zentrifuge? Wie sterilisiere ich Glasgefäße ohne einen Autoklaven und wie komme ich günstig an ausgediente Laborgeräte?
Schnell wird klar: Mal eben zum Spaß ein paar Gene von Bakterien zu verändern, ist doch nicht so leicht wie anfangs behauptet. Um biologische Informationen zu lesen, muss der Biohacker professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Der Zusammenbau von selbst erdachten Erbmolekülen ist in Deutschland für Privatpersonen ohnehin nicht gestattet. Service-Unternehmen bieten hierzulande die DNA-Synthese aus Sicherheitsgründen nur für zugelassene Labors aus Wissenschaft und Industrie an.

Früher galten Computer-Nerds als Spinner, heute die Bio-Nerds

In Zukunft jedoch könnte sich das ändern, sagt Rüdiger Trojok voraus. Schnell sinkende Preise, neue einfachere Methoden und Labors in Chipgröße werden die Gentechnologie massentauglich machen. Dann wird die heute noch sehr kleine Biohacker-Szene schnell wachsen.
Im dritten und spannendsten Teil seines Buches beschreibt er eine neue Welt, in der Biotechnologie so wie heute Computertechnologie zum Alltag gehören wird. Seine Visionen, wie das persönliche Parfum aus dem eigenen Bioreaktor oder die Schnelldiagnose wichtiger Gesundheitswerte zur richtigen Dosierung von Medikamenten, werden Skeptiker zwar nicht überzeugen, aber die Computerpioniere aus den 1970er-Jahren konnten auch nicht vorhersagen, was sich aus ihren technischen Spielereien entwickeln würde. Die Computer-Nerds von damals sind längst etabliert, und alle machen mit beim Spiel mit großen Datenmengen. Heute sind die Bio-Nerds die Außenseiter und Spinner, die niemand ernst nimmt. Dass das nicht so bleiben wird, ist für Rüdiger Trojok eine klare Sache.

Biologische Open-Source-Bewegung

Außenstehenden bietet die Lektüre dieses Buches Einblick in unbekannte Denkweisen. Statt Gentechnologie rundweg zu verteufeln und ausschließlich als Risiko zu betrachten, präsentiert der Autor ein kreatives Völkchen von Bastlern und Künstlern, das frei experimentieren will. Eine biologische Open-Source-Bewegung ist bereits entstanden. Ohne Gewinnabsicht tauschen freie Geister Informationen und Biobausteine aus. Alles soll frei zugänglich sein, vergleichbar mit dem Betriebssystem Linux oder der Internetenzyklopädie Wikipedia in der Computerwelt.
Dabei ist sich Rüdiger Trojok der Risiken durchaus bewusst. Statt die Hardware zentral zu überwachen, setzt er jedoch auf gegenseitige Kontrolle auf Datenebene. Das wird nicht jeden überzeugen. Das Buch bietet aber eine Gelegenheit, neue Ideen aus erster Hand kennen zu lernen, und es eröffnet eine wichtige Diskussion, von der noch niemand weiß, wohin sie führt.

Rüdiger Trojok: Biohacking. Gentechnologie für alle
Franzis Verlag, 224 Seiten, 19,95 Euro

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