Zika-Virus, Malaria und Co.

Gentechnik gegen Mücken

Eine Stechmücke der Art Aedes aegypti
Die Stechmückenart Aedes aegypti ist Überträger des Zika-Virus. © picture alliance /dpa /Gustavo Amador
Irina Häcker im Gespräch mit Katrin Heise · 05.03.2016
725.000 Menschen sterben laut einer Studie jedes Jahr an Krankheiten, die durch Mücken übertragen wurden. Dagegen soll jetzt Gentechnik helfen. Wie die Zucht steriler Männchen die Mücken-Population dezimieren kann, erklärt die Biochemikerin Irina Häcker.
Stechmücken sind nicht nur lästig, sondern unter Umständen auch gefährlich. So sterben laut einer Studie der Bill-und-Melinda–Gates–Stiftung jedes Jahr 725.000 Menschen an Krankheiten, die durch Mücken übertragen wurden.
"Der Plan ist, dass wir die Mücken für die sogenannte sterile Insektentechnik produzieren", sagt Irina Häcker, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Insektenbiotechnologie an der Universität Gießen. Dort leitet sie ein Projekt zur Entwicklung und Beurteilung transgener Insekten für Schädlingsbekämpfungsprogramme.

Keine Gefahr für den Menschen durch genmanipulierte Mücken

Dabei würden sterilisierte Männchen einer Schadinsektenart in Massen gezüchtet und im Feld freigesetzt. Dort konkurrierten diese dann mit den nicht-sterilisierten Männchen um die Weibchen und sorgten so dafür, dass weniger Nachwuchs entsteht. "Wenn man das über mehrere Wiederholungen betreibt, dann kann man dadurch die Wildtyp-Population dezimieren."
Das Ziel sei nicht das Aussterben der Mücken, sondern nur eine Reduzierung ihrer Anzahl, betont Häcker. Gefahren für den Menschen durch die Genmanipulation seien so gut wie ausgeschlossen.
"Selbst wenn man jetzt so eine transgene männliche Mücke verschlucken würde, ist es praktisch unmöglich, dass das transgene Teil aus dem Moskito, also das veränderte Gen, dass das irgendwie in den menschlichen Organismus eingebaut wird." Denn die Mücke werde im Verdauungstrakt komplett verdaut: "Da kommen keine Gene aus dem Darm irgendwie in den Körper des Menschen."

Das Interview im Wortlaut:
Katrin Heise: Noch summt es ja nicht um unseren Kopf herum in der Dämmerung, aber bald stechen sie wieder, können wir uns drauf verlassen: die Mücken. In unseren Breitengraden sind sie lästig, woanders sind sie gefährlich. Laut einer Studie der Bill & Melinda Gates Stiftung sterben jedes Jahr etwa 725.000 Menschen an durch Mücken übertragenen Krankheiten. Oder denken Sie an das Zika-Virus, das Brasilien in Atem hält. So mancher würde sich wünschen, Mücken sollen aussterben. Am Telefon begrüße ich Irina Häcker, Biochemikerin an der Universität Gießen!
Irina Häcker: Schönen guten Tag!
Heise: Sie arbeiten ja in gewisser Weise dran, also nicht, dass die Mücken gleich ganz aussterben, aber doch drastisch reduziert werden, nicht nur Gift, sondern durch Genmanipulation. Was machen Sie denn mit den Mücken?
Häcker: Also der Plan ist, dass wir die Mücken für die sogenannte sterile Insektentechnik produzieren. Sterile Insektentechnik bedeutet, dass man sterilisierte Männchen einer Schadinsektenart in Massen züchtet und dann im Feld freisetzt, wo sie mit den wildtypischen Männchen um die Wildtypweibchen konkurrieren, und da sie steril sind, eben keine Nachkommen erzeugen können. Und wenn man das über mehrere Wiederholungen betreibt, dann kann man dadurch die Wildtyppopulation dezimieren. Und der Plan, den wir verfolgen für die Mücken, ist, die Sterilität der Mücken durch Gammastrahlung zu erreichen und die Gentechnik dafür einzusetzen, die Männchen effizient von den Weibchen zu trennen.
Heise: Das hat welchen Vorteil?
Häcker: Prinzipiell ist es eben ganz wichtig, dass man auf keinen Fall in solchen Programmen Weibchen freisetzt, auch wenn sie denn sterilisiert wären, weil man auf keinen Fall möchte, dass diese Weibchen im Feld wieder Menschen stechen und dadurch die Krankheit weiter übertragen können.
Heise: Was ist denn eigentlich das tatsächliche Ziel der Aktion? Wie viele manipulierte Mücken braucht man, um eine Mückenpopulation aussterben zu lassen, oder wollen Sie das Aussterben gar nicht als Ziel setzen?
Häcker: Das Aussterben ist sicherlich kein Ziel und ist im Endeffekt auch nicht wirklich machbar. Das Ziel ist, die Population auf ein bestimmtes Level zu drücken, sodass auch die Infektionsrate in der Population relativ gering ist und damit auch die Gefahr der Übertragung auf den Menschen einfach stark reduziert wird.
Heise: Sie sagen, es dürfen nur manipulierte männliche Mücken tatsächlich in den Freilandversuch gehen, weil sie eben die Menschen nicht stechen. Ist also das Risiko, dass beispielsweise eingefügte DNA-Abschnitte auf den Menschen übertragen werden, gänzlich ausgeschlossen?
Häcker: Das ist so gut wie ausgeschlossen, ja. Selbst wenn man jetzt so eine transgene männliche Mücke verschlucken würde, ist es praktisch unmöglich, dass das transgene Teil aus dem Moskito, also das veränderte Gen, dass das irgendwie in den menschlichen Organismus eingebaut wird, weil die Mücke gelangt erst mal in den Verdauungstrakt, wo sie komplett verdaut wird. Das bedeutet, dass auch wirklich die DNA in ihre einzelnen Basen zerlegt wird und die Basen wiederum in ihre Einzelbestandteile zerlegt werden, also da kommen keine Gene aus dem Darm irgendwie in den Körper des Menschen, sondern nur die kleinsten Bauteile des Genoms sozusagen oder des Erbguts. Und von daher ist es eigentlich absolut nicht möglich, dass ein Gen irgendwie in das menschliche Genom eingebaut wird.

Ist es vertretbar, Arten extrem zu dezimieren?

Heise: Wie sieht das eigentlich mit anderen Tieren aus, denn Mücken gehören ja für viele Tiere zur Nahrung?
Häcker: Das ist richtig. Auch da besteht im Endeffekt fast keine Möglichkeit, dass zum Beispiel das Transgen auf das Tier übertragen würde. Es hat unter Umständen schon Auswirkungen auf die Nahrungskette. In dem Fall, wo das Insekt oder die Mücke nicht heimisch ist, also eingeschleppt durch den Menschen, sind sicherlich so gut wie keine Auswirkungen zu erwarten, weil die Mücke dort sowieso nicht hingehört. Wenn die Mücke zur normalen Nahrungskette gehört, wird es sicherlich gewisse Auswirkungen auch auf die Tiere haben, aber das, denke ich, haben wir jetzt auch schon. Weil wenn ich Insektizide einsetze, lokal, um die Mücken zu bekämpfen, und eine lokale Dezimierung erreiche, dann habe ich da auch schon Auswirkungen auf die Fressfeinde.
Heise: Also da wird das eine gegen das andere einfach vertauscht, Sie meinen, das wäre dann nicht so schlimm, wer quasi die Nahrungskette unterbricht. Aber wir beklagen Jahr für Jahr, dass durch Umweltverschmutzung, durch monotone Landwirtschaft, durch Klimaerwärmung die Artenvielfalt auf der Strecke bleibt auf unserem Planeten, und wenn ich Sie jetzt mal ganz ethisch-moralisch frage: Ist es denn vertretbar, noch zusätzlich Arten auszurotten oder jedenfalls extrem zu dezimieren?
Häcker: Das ist eine gute Frage. Ich meine, man muss halt aber auch abwägen, will man das Infektionsrisiko haben oder will man es nicht haben. Das ist auch so eine typische Frage: Geht der Mensch vor oder geht die Umwelt vor? Es ist sicherlich ein schwieriges Thema. Da es ja nicht zu einer kompletten Ausrottung kommen wird und es oft auch so ist, dass wenn eine Mückenart dezimiert wird – aus welchem Grund auch immer, kann auch natürlichen Ursprungs sein –, dass andere Mückenarten dann meistens in das Gebiet einwandern und das besetzen, ist es jetzt nicht so, dass die Mücken komplett aus dem Gebiet verschwinden würden.
Heise: Und da würden Sie denn hoffen, dass es Mücken sind, die keine Krankheiten übertragen, sonst wäre man ja wieder am Anfang der Operation.
Häcker: Das ist natürlich richtig. Aber in Deutschland gibt es viele, viele verschiedene Mückenarten, und die meisten davon oder im Endeffekt in Deutschland eigentlich keine davon überträgt Krankheiten, die für den Menschen wirklich gefährlich sind. Von daher hätte ich da jetzt keine Bedenken.
Heise: Mückenbekämpfung durch Bestrahlung und durch Gentechnik. Irina Häcker von der Universität Gießen arbeitet daran. Frau Häcker, danke schön für das Gespräch!
Häcker: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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