Robert Feustel: "Am Anfang war die Information"

Die Grenzen der Digitalisierung

Cover des Buches "Am Anfang war die Information" vor blauem Hintergrund.
Schließlich, schreibt Feustel, ist noch jede Maschine am allzu Menschlichen gescheitert. © imago/Verbrecherverlag/Deutschlandradio
Von Bodo Morshäuser · 12.01.2019
Wird Künstliche Intelligenz uns Menschen immer ähnlicher? Dieser Glaube sei ein großer Irrtum, sagt der Politikwissenschaftler Robert Feustel. In seinem Buch stellt er anschaulich dar, wie die Digitalisierung oft als Heilsversprechen daherkommt.
Dieses Buch ist der Versuch, den realen Stellenwert der mancherorts glorifizierten, andernorts verdammten Digitalisierung kenntlich zu machen. Im Zentrum der Digitalisierung sieht Feustel eine Neudefinition des Begriffs "Information". Die Informationsverarbeitung habe die Vorstellung etabliert, dass der Mensch als Informationssystem gedacht werden könne. Physis, Ethik und Moral interessieren nur noch als Rechenprozesse. In der Konsequenz ist der Unterschied zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit oder zwischen Lüge und Wahrheit nur noch zweitrangig, denn alles ist gleichermaßen nur Information. Übersehen wird dabei, kritisiert Feustel, dass Digitalisierung auch etwas Physisches ist. Denn die abstrakten Rechenvorgänge der Computer benötigen konkrete Prozessoren, Displays und Serverfarmen.

Werden Rechner uns Menschen immer ähnlicher?

Aber Robert Feustel weist nicht nur die utopischen Träumer der digitalen Welt auf ihren Gedankenfehler hin; in seitenverkehrter Ausführung sieht er dieselbe Technikgläubigkeit auch in Untergangsszenarien, die in der Digitalisierung das Ende des Menschseins wähnen. Die utopische wie die dystopische Haltung gingen aus derselben Technikgläubigkeit hervor und leiteten totalitäre Weltbilder ab: Paradies oder Hölle. Wobei sie sich gründlich irrten. Denn die Grenzen der Digitalisierung seien deutlich zu erkennen, wenn man denn nur wolle.
Die neue Illusion vom allein Informationen verarbeitenden Menschen reduziere ihn auf sein Gehirn und übergehe Gefühle, Intuition, Vorstellungskraft und alles Seelische. Das gehe nicht ohne Kollateralschäden ab, stellt Robert Feustel fest. "Die hochfliegenden Erwartungen, dass die Reproduktion des Menschen kurz bevorstehe, basieren möglicherweise auf einer verdrehten Annahme: Während es üblicherweise heißt, dass die Rechner bald denken und selbst lernen, sind wir eher dabei, das Denken in die Niederungen des Prozessierens zu verabschieden."

Passen wir unser Denken den Computern an?

Mit anderen Worten: Rechner sind nur und ausschließlich vernünftig. Ihnen fehlt etwa die Fähigkeit, absichtliche Täuschungen in ihre Modelle aufzunehmen. Auch mit Witzen tun sie sich schwer. Ob die Vernunft der Rechner Vorteil oder Nachteil ist, hängt von den Menschen ab, die sie bedienen. Feustel kritisiert neuere Modelle, sich Rechnern anzupassen. Autoversicherungen berechnen die Unfallwahrscheinlichkeit eines Kunden und legen entsprechende Prämien fest, noch bevor ein Kilometer gefahren wird.
Eine errechnete Zukunft wird zur realen Grundlage der Gegenwart. Genauso funktioniere die vorhersagende Polizeiarbeit: Eine errechnete Wahrscheinlichkeit, dass zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten Straftaten passieren werden, lenkt die Polizei real an diese Orte. Was dann dort geschieht, nennt Feustel eine sich selbst erfüllende Prophezeiung des Systems. "Wird ein Übeltäter überführt, stimmte offenbar die Kalkulation; wenn nichts passiert, hat die Präsenz der Polizei das Verbrechen verhindert, bevor es stattfinden konnte."
Und schließlich, so beendet Feustel sein Buch, ist noch jede Maschine am allzu Menschlichen gescheitert: nämlich durch eigene Rechenverfahren seinen Tod einzuleiten. Obwohl es inzwischen auch solche Prognoseverfahren gibt: allerdings nur für Menschen, nie für die rechnende Maschine. Dieser Unterschied zeige, dass Mensch und Maschine zwei grundverschiedene Sachen sind.
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