Ringer-Training in Indien

"Unsere Augen blicken auf Gold"

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Ein indischer Ringer schlägt nach dem Training ein Rad. Er trägt eine kurze traditionelle Hose.
Institution des indischen Ringens: Im Guru Hanuman Akhara werden Athleten ausgebildet. © Picture Alliance / dpa / Photoshot / Bi Xiaoyang
Von Antje Stiebitz · 29.11.2020
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Ringen gehört zu den populärsten olympischen Sportarten in Indien. In Dehli gibt es eine legendäre Ausbildungsstätte, in der 125 Athleten mehrmals am Tag hart trainieren. Der Ansturm ist trotz der strengen Grundregeln groß.
Ein Holzkarren klappert vorbei. Morgens um halb sieben ist noch nicht viel los auf den Straßen in Shakti Nagar, einem Stadtteil von Delhi. Das Eingangstor zur Guru Hanuman Akhara steht allerdings schon offen. Denn die Schüler der Ausbildungsstätte für Ringer waren bereits eineinhalb Stunden Joggen. Jetzt sammeln sie sich langsam in ihrer Trainingshalle.
Orange auf Blau beherrscht der Ring die Halle. Rechts an der Wand stehen Geräte für Kraftsport, links ein Mattenstapel. Die olympischen Ringe sind an die Wand gemalt, eingerahmt von zwei indischen Flaggen. Darüber steht in Hindi und Englisch: Unsere Augen blicken auf Gold.
Während die einen Gymnastikübungen machen, ringen andere mit einem Partner. Kinder, Jugendliche, Erwachsene – die Trainierenden gehören allen Altersstufen an.

Mandeltrink zum Frühstück

"Ich stehe morgens um vier auf und gehe zum Joggen. Danach machen wir Krafttraining und andere Übungen." Yash Gahlot lebt seit zwei Jahren hier.
Alle drei Monate besucht der Zwölfjährige seine Eltern für ein paar Tage. Nach dem morgendlichen Training, erklärt er, widmeten sich die Ringer ihrer Ernährung:"Danach nehme ich einen Mandeldrink zu mir und bereite Fladenbrot und Gemüse zu. Jeder kocht hier für sich selbst."
Ein Junge sitzt bekleidet mit einem Jogginganzug in einem Hof und zerstößt Mandeln in einem Mörser.
Jeder sorgt für sich allein: Der sechsjährige Arjun bereitet sich nach dem Morgentraining Mandelmilch zu.© Deutschlandradio / Antje Stiebitz
Was es mit dem Mandeldrink auf sich hat, klärt sich später im Innenhof des Ringerzentrums. Der sechsjährige Arjun sitzt auf einem Treppenabsatz und sieht den älteren Ringern dabei zu, wie sie Gewichte stemmen. Arjun hält einen großen Holzstößel in der Hand und zerreibt in einem Steinmörser Mandeln.
"Das trinken wir nach dem Training. Es ist gut für unsere Gesundheit", erklärt der Junge, während er Rosinen, Gewürze und Wasser zu den Mandeln gibt. Trainer Maha Singh Rao vertritt eine legendäre Ringereinrichtung. Die Sportler der Guru Hanuman Akhara haben nicht nur unzählige nationale Auszeichnungen gewonnen, sondern auch internationale Medaillen.
Der Ruhm der Akhara geht vor allem auf den Gründer Guru Hanuman zurück, erklärt Maha Singh Rao: "Er hat die Akhara 1928 gegründet. Er ist 98 Jahre alt geworden. Er hat enthaltsam gelebt. Er hat immer gesagt, dass er mit dem Ringen verheiratet ist und dass seine Schüler seine Söhne sind."

Strenge Grundregeln

Vegetarisches Essen, kein Alkohol, keine Drogen, keine Frauen – das gehört zu den Grundregeln für die 125 Ringer hier. Dazu vier Stunden morgendliches Training und vier Stunden am Abend. Guru Hanuman hat es seinen Schülern vorgemacht. Sein Name geht auf den affenköpfigen Gott Hanuman zurück. Er gilt als Schutzpatron der Ringer.
In einer Trainigshalle sind Ringer, die miteinander kämpfen.
Das Ziel ist klar: Im Guru Hanuman Akhara trainieren die Sportler für Goldmedaillen© Deutschlandradio / Antje Stiebitz
Gibt es Nachwuchs für ein solch diszipliniertes Leben? Der Ansturm ist groß, antwortet Maha Singh Rao: "Die Eltern kommen und sagen: Mein kleiner Junge möchte ringen. Dann prüfe ich ihre Fähigkeiten."
Nur wenige Autominuten vom Geschäfts- und Finanzzentrum Connaught Place entfernt liegt die Wrestling Federation of India. Vinod Tomar ist Sprecher des Indischen Ringerbundes. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch und zuckt bedauernd mit den Achseln: "Aus der Guru Hanuman Akhara hat sich momentan keiner der Ringer für die Olympischen Spiele qualifiziert. Diejenigen, die an den Olympischen Spielen teilnehmen dürfen, stammen alle aus der Ausbildungsstätte Chhattarshal Stadium in Delhi."

Unterstützung für Ernährung

Dann kommt Vinod Tomar auf ein anderes Thema. Viele Ringer stammten aus einfachen Verhältnissen. Sie hätten Potenzial, aber es mangelte ihnen an den Mitteln. Vor allem die Ernährung eines Ringers sei verhältnismäßig teuer."Wir wählen die Ringer an der Basis aus und fördern sie finanziell."
Diese systematische Hilfe sei neu. Der Ringerverband habe sie in den vergangenen fünf bis sechs Jahren aufgebaut. Mit umgerechnet rund 340.000 Euro wurden die Sportler im Jahr 2019 gefördert. So wie die anderen olympischen Disziplinen auch, erklärt der Sprecher. Dabei geht der größte Teil des Geldes an die arrivierten Ringer.
Ringen ist in Indien traditionell ein beliebter Sport. Er kann sich zwar nicht mit der Nummer eins des Sports, dem Cricket, messen. Aber unter den olympischen Disziplinen gehört er in Indien zu den populärsten.
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