Rainer Mühlhoff: "Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus"

Wenn Tech-Ideologie zu Politik wird

Buchcover: Rainer Mühlhoff: "Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus".
© Reclam Verlag

Rainer Mühlhoff

Künstliche Intelligenz und der neue FaschismusReclam, Ditzingen 2025

160 Seiten

8,00 Euro

Von Vera Linß |
Künstliche Intelligenz ist das ideale Werkzeug, um autoritäre oder gar faschistische Ideen umzusetzen, sagt der Mathematiker und Philosoph Rainer Mühlhoff. Die Gefahr müsse erkannt und mit Hilfe von Regulierung begrenzt werden.
Dass digitale Medien die Demokratie bedrohen, wird schon länger angemahnt. Doch seit Beginn des Jahres hat die Gefährdung eine neue Qualität. Erstmals griff mit Elon Musk ein Tech-Unternehmer direkt in den Verwaltungsapparat einer Regierung ein. Das Ziel: Die Säuberung der staatlichen Infrastruktur durch Massenentlassungen und das Verbot von Diversitätsprogrammen.

Die Verschmelzung von Big Tech und Politik

Einen "digitalen Staatsstreich" nennt der britische Guardian diese Infiltration. Für den Philosophen und Mathematiker Rainer Mühlhoff ist sie ein neuer Faschismus, der aus der Synergie von rechter Politik und Big Tech entsteht.
Mit Faschismus meint der Ethik-Professor von der Universität Osnabrück nicht das historische Phänomen, wie man es aus dem 20. Jahrhundert etwa aus Deutschland oder Italien kennt. Stattdessen müsse man den Begriff mit Blick auf Gegenwart und Zukunft erproben.
Er definiert den neuen Faschismus als eine Kombination aus antidemokratischem Wirken, Gewaltbereitschaft und der Nutzung von Technologie als Machtinstrument. Weshalb aber klappt diese Verschmelzung von Big Tech und Politik in den USA offenbar so reibungslos? Und warum wird sie gesellschaftlich akzeptiert?

Künstliche Intelligenz als Heilsbringerin

Ein Grund: Das Potential digitaler Technologien wird in der öffentlichen Darstellung bewusst überhöht. Rainer Mühlhoff zeigt dies im historischen Rückblick an der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, deren Name bereits trügerisch ist. Das darin enthaltene Versprechen, die Technologie könne den Menschen nicht nur nachahmen, sondern übertrumpfen, stammt aus den 1950er-Jahren, als man sie verkaufsträchtig vermarkten wollte.
Ebenso machtvoll sind die vielen einflussreichen "Tech-Ideologien" aus dem Silicon Valley, die der Wissenschaftler detailliert vorstellt. Die Mehrzahl dieser Ideologien preist Künstliche Intelligenz als Heilsbringerin an – ein Ansatz, der verfängt und sich mühelos mit dem rechten Gedankengut von Donald Trump oder der extremen Alt-Right-Bewegung verknüpfen lässt.
Doch ist die Gefahr des politischen Missbrauchs der Technologie wirklich so groß? Zumindest sind die Grundlagen dafür vorhanden, weil der Einsatz von Künstlicher Intelligenz inzwischen zum Alltag gehört. Die "Medienkultur der digital vernetzten Individuen" mache die allermeisten Menschen zu Lieferanten von Daten, was Unternehmen eine enorme Machtfülle verschaffe.

Technologie muss demokratisch gestaltet werden

Das Fazit von Rainer Mühlhoff lautet deshalb: Künstliche Intelligenz eignet sich ideal für autoritäre Zwecke. Und tatsächlich: Laut Fernsehsender NBC hat sich Elon Musk bei seinen Entscheidungen in der Verwaltung auf KI-Systeme gestützt.
Um solche Entwicklungen in Europa zu verhindern, fordert der Philosoph mehr Regulierung. Außerdem müsse anders über Künstliche Intelligenz gesprochen werden, und zwar als eine Technologie, die man demokratisch gestalten müsse und nicht den Eliten aus dem Silicon Valley überlassen dürfe. Aktuelle Debatten auch hier in Deutschland – etwa über den Einsatz der Überwachungssoftware Palantir – zeigen, wie wichtig Rainer Mühlhoffs mahnende Analyse ist.
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