"Ein tadelloses Glück"

Der junge Thomas Mann und der Preis des Erfolgs

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Cover des Buches "Ein tadelloses Glück: Der junge Thomas Mann und der Preis des Erfolgs" mit einem Gemälde vom Anfang des 19.Jahrunderts, das Menschen und Kutschen auf den Straßen Münchens zeigt.
© Deutsche Verlags-Anstalt

Heinrich Breloer

Ein tadelloses Glück: Der junge Thomas Mann und der Preis des ErfolgsDeutsche Verlags-Anstalt, 2024

464 Seiten

26,00 Euro

Von Helmut Böttiger |
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Die Ehe mit der Millionärstochter Katia Pringsheim ermöglichte Thomas Mann den gesellschaftlichen Aufstieg – und war die Vorbedingung für sein literarisches Werk. Davon erzählt der Regisseur und Autor Heinrich Breloer in einem romanhaften Buch.
Heinrich Breloer ist als Fernsehinterpret Thomas Manns berühmt geworden, mit seiner Verfilmung der "Buddenbrooks" sowie der dreiteiligen Familiengeschichte "Die Manns". Jetzt widmet er sich in einem umfangreichen Buch, das keine Gattungsbezeichnung trägt, einer Phase, die er bisher noch nicht ausführlicher bearbeitet hatte: der Vorgeschichte des großen Erfolgs und des repräsentativen Schriftstellers Thomas Mann.

Die Sehnsucht nach gesellschaftlichem Prestige

Es ist die Zeit vor dessen Ehe und des Werbens um Katia, der 20-jährigen Tochter der reichen, ja damals geradezu legendär reichen Familie des Mathematikers und Unternehmenserben Alfred Pringsheim in München. 
Dies ist tatsächlich ein Stoff, der individualpsychologisch wie gesellschaftsgeschichtlich von enormer Brisanz ist. Thomas Mann, darauf hat die Forschung in der letzten Zeit einen starken Akzent gelegt, versuchte früh, seine homosexuellen Neigungen in sich zu bekämpfen und seine gesamte Energie auf das künstlerische Schaffen zu lenken, also auch auf die Umcodierung seiner libidinösen Dispositionen.
Nach dem frühen Tod seines Vaters, einem der angesehensten Kaufmänner und Ratsherren Lübecks, ging es für ihn auch darum, dem Niedergang seiner Familie entgegenzutreten. Es widmete sich also zuallererst dem Kampf um eine Ehe und dem Wiedererlangen von Prestige.
Als Schriftsteller in München, mit ersten Erfolgen, setzte er dabei äußerst riskant gleich auf das größte Los. Die neben vier Brüdern einzige Tochter der Familie Pringsheim versprach enorme Reputation und den Aufstieg in das ersehnte Großbürgertum. Dass es Thomas Mann gelang, diese begehrte Partie wirklich zu erobern, legte den Grundstein für sein enormes Ansehen.   

Der Kampf um Katia Pringsheim

Mit Instinkt für gewisse Effekte zeichnet Breloer Thomas Manns Kampf um Katia Pringsheim nach. Dass er sämtliche verfügbaren Quellen studiert hat und auch noch mit bedeutenden Zeitzeugen sprechen konnte, ist längst bekannt. Das verspricht einiges. Sein Buch ist jedoch keineswegs als Sachbuch zu bezeichnen, es ist von der Form her eher ein Roman: erzählerisch, mit kurzen prägnanten Momenten, wie das Drehbuch für eine Verfilmung.
Darin liegt allerdings auch ein Problem. Die einzelnen Szenen sind zielsicher ausgewählt, sie bestehen sehr häufig aus Dialogen, es gibt kaum Psychologie, sondern vor allem unmittelbare Draufsicht auf einzelne Situationen.

Ein Buch am Rande der Kolportage

Was im Film, in Bildern eine große Wirkung entfalten kann – die schwarzen Augen Katias etwa bei der ersten Begegnung aus der Ferne, sie sitzt in der ersten Reihe bei einer Wagner-Oper inmitten ihrer Familie – bleibt in dieser Art von Text eine bloße Behauptung. Wenn man sich dem Sujet Thomas Mann widmet, stellt sich ja zwangsläufig die Frage, mit welcher Sprache man diese Aufgabe bewältigen könnte. Ein gewisser literarischer Anspruch, eine differenzierte Durchdringung der Motive und Gefühlslagen ist hier eigentlich vorgegeben. Derlei Probleme interessieren Breloer aber offenkundig eher weniger. Gelegentlich drängt sich sogar die Kolportage unangenehm hervor.
Das Thema ist zwar sehr spannend, aber da hätte man doch mehr erwartet.  
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