Restitution an Namibia

Rückgabe mit Hindernissen

05:37 Minuten
Lutherische Christuskirche mit Nationalmuseum in Windhoek, Namibia.
Die Gegenwart steht direkt neben der Vergangenheit: das Nationalmuseum in der namibischen Hauptstadt Windhoek und die Lutherische Christuskirche aus der Kolonialzeit. © imago images/imagebroker/Thomas Sbampato
Von Werner Bloch · 06.06.2022
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Eigentlich sah die Sache ganz gut aus: 23 Kunstgegenstände sind aus Berlin in Windhoek eingetroffen, Museumskooperationen zwischen Deutschland und Namibia wurden vereinbart. Doch ein falsches Wort kann schnell zu Irritationen führen.
Wer auf den Spuren der deutschen Kolonialzeit in Windhoek unterwegs ist, der wird ziemlich schnell enttäuscht. Zwar thront im Zentrum am Independence Square immer noch die Lutherische Kirche aus dem 19. Jahrhundert, die aussieht, als sei sie gerade direkt aus Baden-Württemberg hierhergebeamt worden. Doch das bekannteste Wahrzeichen des deutschen Kolonialismus, das Reiterdenkmal, fehlt.
"Das Reiterdenkmal steht in der Feste eingeschlossen. Es wurde abgenommen, weil die Regierung der Meinung ist, es ist ein Symbol der Kolonialzeit. Die Feste war das Museum und das hat man jetzt zugemacht. Ich glaube, die wollen die Geschichte wegschaffen, obwohl die Geschichte nicht vergessen werden darf", erzählt ein Touristenführer.

Zwiespältiger Umgang mit der Geschichte

Merkwürdig: Fast scheint es, als seien die rund 30 Jahre deutscher Kolonialgeschichte der namibischen Regierung geradezu peinlich. Andererseits beruft sich Namibia nachdrücklich auf den Genozid an Hereros und Namas, um umfangreiche Reparationen von Deutschland zu fordern.
Dies ist der politisch durchaus heikle Hintergrundton für die aktuelle Museumsinitiative zwischen Berlin und Windhoek, die von der Gerda Henkel Stiftung finanziert wird. 23 Objekte aus dem Ethnologischen Museum in Berlin sind vor Kurzem eingeschwebt. Und nun sitzt Esther Moombolah, die Chefin des National Museum of Namibia, schon morgens um acht in ihrem Büro und kramt aus den weiß-grauen Kartons einige Artefakte hervor.
„Seit Ende der Kolonialzeit gibt es in den Kulturbeziehungen zwischen Deutschland und Namibia keine Probleme", sagt Moombolah.

Wir haben jetzt dieses aktuelle Projekt mit Deutschland. Unsere Expertinnen haben in Berlin Objekte ausgesucht, die aus der Zeit vor, während und nach der Kolonialzeit stammen. Drei von ihnen wurden im Kontext des Genozids erworben.

Es handelt sich ausschließlich um Objekte, von denen es keine Exemplare in Namibia gibt. Deshalb helfen sie uns, unsere eigene Geschichte zu erforschen. Im Übrigen sind die 23 Objekte nur ein Anfang, es kann zu vielen weiteren Rückgaben kommen.

Esther Moombolah

Wortwahl sorgt für schlechte Stimmung

In Windhoek zeigt sich: die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Namibia arbeiten hervorragend zusammen. Die Atmosphäre ist fruchtbar und gerade freundschaftlich. In Workshop wird Wissen weitergegeben und ausgetauscht, dank EU-Geldern sind in Namibia Stellen geschaffen worden, und Studierende interessieren sich leidenschaftlich für die Geschichte der eigenen Kulturgüter und ihre Bedeutung für das Land.
So gesehen findet in Windhoek ein geradezu ideales Pilotprojekt statt, das Deutschland und Namibia einander näherbringt. Und doch gab es einen Eklat.
Auf der Pressekonferenz im Independence Museum, einem bronzefarbenen Gebäude in Form einer Kaffeekanne, stießen sich mehrere namibischen Journalisten an dem Wort „loans“, als das die Aktion bezeichnet wurde. Was, bitte, fragten sie, heißt hier Leihgaben? Sollen die Objekte (inzwischen spricht man gern von „belongings“) etwa wieder nach Deutschland zurück?
Hermann Parzinger, der Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sprang in die Bresche und versuchte, die Lage als „Missverständnis“ zu retten. Doch da war die Stimmung bereits zeitweilig entgleist:

Zunächst mal sind das 'indefinite loans', das sagt schon mal eine Menge aus. Aber das ist ein Begriff, den wir beide, die namibische und die deutsche Seite, gewählt haben. Es gibt keine Rückforderung, sondern die Dinge sollen hierher, damit weitergearbeitet wird. Aber uns allen ist klar aufgrund der essenziellen Bedeutung für Namibia, für die Geschichte des 19. Jahrhunderts, wo es kaum Objekte gibt, dass die Dinge hierbleiben sollen.

Hermann Parzinger

In Namibia geht der Blick in die Zukunft

Ende Juni, so Parzinger, werde der Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz tagen und eine Entscheidung über das Schicksal der Objekte treffen. Dann sei womöglich mit einer offiziellen Eigentumsrückübertragung zu rechnen. In Namibia aber blickt man in die Zukunft. Es gehe jetzt nicht mehr darum, über Restitution theoretisch nachzudenken, betont Goodman Gwasira von der University of Namibia, sondern um die Praxis. Die meisten Namibier schauen nicht im Zorn zurück. Ihnen geht es nicht um radikale Maximalforderung, sondern die Möglichkeit, ihr Kulturerbe – und damit auch sich selbst – besser kennenzulernen.
Die Namibier, erfährt man in Windhoek, hätten bisher gar keine Übersicht über ihre gesamte Kultur. Das zu ändern sollen auch die Objekte aus den Berliner Museen helfen. Sie haben eine Bedeutung für die namibische Identität.

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