Reparationen

Über die Bewältigung von Kriegsfolgen

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Eine Deutschlandflagge mit Bundesadler (Bundesdienstflagge, oben) und eine Flagge Griechenlands wehen am 17.03.2015 in Hamburg über dem Biergarten eines griechischen Restaurants im Wind. © picture alliance / dpa / Christian Charisius
Von Klaus Pokatzky  · 15.04.2015
Griechische Politiker fordern aktuell Geld von Deutschland - als Entschädigung für Verbrechen und Schäden der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. Aber wie haben die Reparationen überhaupt Einzug in die Kriegsfolgenbewältigung der Moderne gehalten? Eine Reflexion über das Phänomen der Reparationen.
"Nervi belli pecunia infinita", sagte schon der alte Römer Cicero: "Die Nerven des Krieges sind unerschöpfliche Geldmittel." Ohne Knete kein Krieg, wäre im Twitter-Zeitalter die Kurzfassung. Gut 150 Jahre vor Ciceros Geburt, nämlich 241 vor Christus, hatten die Römer im Ersten Punischen Krieg Karthago besiegt und konnten den Frieden diktieren: Sizilien fiel an Rom und Karthago zahlte Reparationen von 2.200 euböischen Talenten über zehn Jahre hinweg und noch mal 1.000 Talente sofort. Der Friede war nicht von langer Dauer. Der nächste punische Krieg folgte rasch und dann noch einer und am Ende war Karthago ausgelöscht: einst ein blühendes Kultur und Wirtschaftsreich.
"Vae victis! - Wehe den Besiegten!", sagte schon der alte Römer Livius. Und diese Drohung galt nicht nur in der Antike. Nach dem Dreißigjährigen Krieg etwa erhielt Schweden nicht nur etliche teutsche Territorien, sondern auch fünf Millionen Taler. Das Wort Reparation kommt vom Lateinischen reparatio und meint Instandsetzung. Reparationen spielten in früheren Jahrhunderten allerdings, wenn es sie überhaupt gab, immer nur eine Nebenrolle in den Friedensverträgen - vielmehr ging es um Gebietsgewinn. In den Nachschlagewerken taucht der Begriff erst im 20. Jahrhundert auf.
Die Gier nach Geld
In der "Allgemeinen deutschen Real-Encylopädie für die gebildeten Stände" von 1854 fehlt er zwischen so schönen versunkenen Begriffen wie "Renunciation" und "Repealassociation"; in der "Encyclopaedia Britannica" von 1886 zwischen den Stichworten "Rent" und "Replevin". Heute kann kein Lexikon darauf mehr verzichten. Wann beginnt das Zeitalter der Reparationen? Sicher nicht zufällig im 19. Jahrhundert, als sich der Kapitalismus durchsetzte. Jetzt siegte die Gier nach dem Geld. 1871 war die echte Geburtsstunde, als Deutsche und Franzosen Frieden schlossen. Und darin war der nächste Krieg gleich eingeschlossen. Dass die Franzosen Elsass-Lothringen eines Tages wieder haben wollten, war das eine. Dass sie aber auch noch Reparationen in Höhe von fünf Milliarden Francs zahlen mussten, was in Deutschland den Boom der ungesunden Gründerzeit auslöste und das Reich zur Wirtschaftsweltmacht machte, die Grande Nation aber zur drittklassigen Ökonomienation, war das andere. Rache ist bitter. "Vae victis!" "Pecunia olet - Geld stinkt doch."
Im Frieden von Versailles 1919 wurde den Deutschen noch gar nicht mal eine konkrete Milliardensumme aufgedrückt, sondern die wurde von einem alliierten Wiedergutmachungsausschuss festgesetzt, der damit auch die deutsche Wirtschaft deckeln konnte. Das Ende ist bekannt: Die Republik von Weimar litt noch mehr als andere unter Weltwirtschaftskrisen. Folge: Hitler, neuer Krieg, Verwüstung Europas. Nach Hitler kam das Londoner Schuldenabkommen von 1953, mit der der Bundesrepublik die Restschulden aufgedrückt wurden: mehr als 13 Milliarden D-Mark, letzte Rate zahlbar 2010. Wenn da pünktlich gezahlt werden konnte, hing das mit dem totalen Gegenentwurf zur Reparation zusammen, der gegenüber einem besiegten Land nur denkbar ist. George Catlett Marshall hieß der amerikanische Außenminister, dessen europäischer 12,4-Milliarden-Dollar-Wirtschaftsplan nicht zuletzt den Deutschen half, ihre Wirtschaft wundersam wieder aufzubauen. Geld-Reparationen dem zerbombten Reich noch aufzudrücken, wäre ohnehin Nonsens gewesen - und wie auch: Ohne Friedensvertrag, der ja erst mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag 1991 kam?
Wirtschaftshilfe wichtiger als Reparationen
In Großbritannien etwa mehrten sich schon recht schnell nach dem Kriege die Stimmen, die überhaupt nicht eingesehen haben, dass Britannien erst durch den Krieg fast Bankrott geht und dann auch noch Unsummen für Besatzungssoldaten in den britischen Zonen an Rhein, Ruhr und Elbe zahlen soll. Da ist es doch klüger, wenn der unterlegene Feind das möglichst schnell selber übernehmen kann. Wirtschaftshilfe ist wichtiger als Reparationen - und Resozialisierung: Die Kontrolle, dass der frühere Aggressor wieder in zivilisierte Bahnen gelenkt wird. Das waren die entscheidenden Fortschritte nach 1945. Oder, um Carl von Clausewitz zu variieren: "Der Friede ist nichts als eine Fortsetzung des militärischen Verkehrs mit Einmischung kluger Mittel."
Mehr zum Thema