Zweiter Weltkrieg

Polen fordert Reparationen von Deutschland

10:38 Minuten
Im Vordergrund stehen deutsche Soldaten der Wehrmacht und beobachten die Angriffe auf Warschau.
Warschau brennt: Am 25. September 1939 begann die Wehrmacht mit dem Angriff auf die Hauptstadt Polens. © picture alliance / akg-images / akg-images
Franziska Davies im Gespräch mit Nicole Dittmer · 01.09.2022
Audio herunterladen
Zum Jahrestag des Kriegsbeginns fordert die polnische Regierung von Deutschland Reparationen in Billionenhöhe. Die Bundesregierung weigert sich. Historikerin Franziska Davies findet, dass es von deutscher Seite wichtig wäre, ein Signal zu senden.
Vor 83 Jahren überfiel das Deutsche Reich Polen und begann damit den Zweiten Weltkrieg: Städte wurden zerstört und Landflächen verwüstet, zwischen fünf und sechs Millionen polnische Bürger wurden getötet, darunter fast drei Millionen polnische Juden.
Nun verlangt die polnische Regierung von Deutschland Reparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro und beruft sich auf ein aktuelles Expertengutachten, das von der PiS-Regierung in Auftrag gegeben wurde. Dabei wurden sowohl materielle als auch menschliche Verluste berücksichtigt.
Die Bundesregierung lehnt derartige Ansprüche ab. Für sie ist diese Thematik mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Aspekte der deutschen Einheit abgeschlossen.

Forderung nach Verantwortung

Oliver Loew, Direktor des Deutschen Polen-Instituts, schätzt die Forderung so ein: „Das ist aus Polen ein Schrei: Nehmt uns endlich wahr! Seht, was ihr angerichtet habt, und bekennt euch noch einmal und immer wieder zu eurer Verantwortung gegenüber Polen.“
Osteuropa-Historikerin Franziska Davies von der Ludwig-Maximilians-Universität München gibt Loew recht. "Den unermesslichen Verlust, den Polen erlitten hat, kann man nicht in Zahlen fassen", sagt sie. Es handle sich um "eine Form der Symbolpolitik".
In der deutschen Erinnerungskultur, die weltweit gelobt werde, seien polnische Kriegsereignisse wie der Aufstand im Warschauer Getto (1943) und der Warschauer Aufstand (1944) nicht sehr präsent.
Davies sieht allerdings in der rechtskonservativen PiS eine problematische Regierung – etwa wegen der Einschränkung von Frauenrechten und der Abhängigkeit der Justiz –, die die Reparationsforderung „für ihre innenpolitische Agenda und die Mobilisierung der eigenen Klientel gebraucht, teilweise missbraucht“.

Deutsch-polnische Erfolgsgeschichte

Deutschland wolle aus eigenem Interesse anderen Staaten nicht das Signal senden, dass es auf solche Forderungen eingehe. Dennoch: „Man sollte sich damit mindestens ernsthaft auseinandersetzen und schauen, ob man nicht doch einen Schritt auf die polnische Regierung zugeht", so Davies. "Es wäre ein wichtiges Signal, zu sagen: Wir handeln nicht aus Eigeninteresse, sondern senden ein Signal, dass wir es ernst nehmen und uns der Problematik bewusst sind.“
Zwischen Deutschland und Polen sei in Sachen Aufarbeitung schon „viel geschafft worden“, wenn auch „nicht genug“, meint Davies. Sie spricht dennoch von einer bisherigen Erfolgsgeschichte. In den letzten Jahren habe sich einiges getan: Im Oktober 2020 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, in Berlin ein Denkmal für NS-Opfer zu errichten. Außerdem soll ein Dokumentationszentrum zur NS-Besatzungsherrschaft entstehen.
„Die Leerstelle beginnt sich langsam zu füllen“, sagt Davies. „Das ist mindestens so wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger.“
(leg)
Mehr zum Thema