Religionspolitik und Hindu-Nationalismus

Indien umarmt den Buddhismus

08:44 Minuten
An der Fassade des Tempels "Bhogal Buddha Vihar" in Delhi thront eine Buddha-Figur.
Buddhismus im Aufwind? Indien scheint die Religion aufzuwerten, die lange im Schatten des Hinduismus stand. © Deutschlandradio / Antje Stiebitz
Von Antje Stiebitz · 04.12.2022
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Siddharta Gautama, Gründer des Buddhismus, lebte und lehrte in Indien. Kein unkompliziertes Erbe, über Jahrhunderte rangen Buddhismus und Hinduismus miteinander. Jetzt aber werden die Beziehungen wiederbelebt, mit dem Segen der Regierung.
Chanakyapuri, im Diplomatenviertel von Neu-Delhi. Im "Samrat Hotel" versammeln sich Gäste, denn die International Buddhist Confederation (IBC) feiert ihren zehnten Geburtstag. Der Moderator eröffnet die Veranstaltung mit einer Rede:
"Meine Damen und Herren, die zurückliegende Reise des IBC war fruchtbar und bedeutungsvoll für uns alle."

Die neue indische Religionsdiplomatie

Die IBC hat sich mit dem Ziel gegründet, für den Buddhismus eine globale Bühne zu schaffen. Dass sie das von Indien aus macht, ist kein Zufall: Schließlich lebte der historische Buddha in Indien. Zudem setzt sich die indische Regierung seit kurzem verstärkt für eine Zusammenarbeit zwischen Indien und den buddhistischen Nationen ein. Eine "Soft Power"-Strategie, die mit dem Begriff "Buddhisten-Diplomatie" umschrieben wird. Der Moderator fährt fort:
"Um es mit den Worten unseres Premierministers Narendra Modi zu sagen: Buddhimus ist eines der größten Geschenke, das Indien der Welt gemacht hat."
Menschen in einem geschmückten Raum feiern den zehnten Jahrestag der International Buddhist Confederation in Delhi.
Indiens Geschenk an die Welt: Feier zum zehnten Jahrestag der International Buddhist Confederation in Delhi.© Deutschlandradio / Antje Stiebitz
Der Mönch Jangchup Choeden ist stellvertretender Sekretär der IBC und bereit, am Rande der Veranstaltung ein Interview zu geben. Aus seiner Sicht gibt der indische Premier dem Buddhismus endlich die verspätete Anerkennung, die er verdient hat. Schließlich könne niemand die gemeinsamen Wurzeln von Hinduismus und Buddhismus leugnen.

Annäherung von Buddhismus und Hinduismus

Ob es zwischen den beiden Religionen auch eine Ökumene gibt, wie das etwa zwischen Katholiken und Protestanten der Fall ist? "Das gibt es in Indien", erwidert Jangchup Choeden. "Als buddhistischer Mönch gehe ich ab und an in Hindu-Tempel oder nehme an Hindu-Ritualen teil. Ich habe das auch bei seiner Heiligkeit, dem Dalai Lama, beobachten können."
Auch Hindu-Priester würden immer wieder buddhistische Zentren besuchen. Der Mönch geht davon aus, dass diese Zusammenarbeit künftig zunimmt. Es habe eigentlich nie Feindlichkeiten zwischen der hinduistischen und der buddhistischen Gemeinschaft gegeben.
Aber warum gibt es dann Historiker, die von Zwistigkeiten berichten? "Aus historischen Gründen und wegen der Kämpfe von Königen und Herrschern erfuhr der Buddhismus einen Niedergang", erklärt Jangchup Choeden. "Wenn jemand ein kleines Königreich führt und seinen Thron schützen möchte, dann wird er einen Weg finden zu teilen und zu herrschen. Das ist ein globales Phänomen."
Eingang des buddhistischen Tempels "Bhogal Buddha Vihar" in Delhi mit einer goldenen Buddha-Figur
Begegnung mit Buddha: Figur am Eingang des Tempels "Bhogal Buddha Vihar" in Delhi© Deutschlandradio / Antje Stiebitz
Der belebte Boghal Market im Süden Delhis. Wer das Gittertor zu dem buddhistischen Tempel "Bhogal Buddha Vihar" öffnet, tritt auf einen großen Hof, auf dem unzählige Grünpflanzen stehen. Ein goldener Buddha, der seinen dicken Bauch hält, sitzt am Eingang zum Tempel.
Der Gesang eines Mönches kling durch den menschenleeren Tempel. Der Mönch in einer senfgelben Robe stellt sich als Mr. Chandi vor. Er stammt aus Thailand und wurde vor zehn Jahren nach Indien entsandt, damit er diesen Tempel pflegt, denn: "Wir wollen, dass jeder von der Lehre Buddhas erfährt."

Konkurrenz auf dem religiösen Markt

Überfüllt ist der Tempel allerdings nicht, ungefähr zehn Besucher kommen am Tag. In der multireligiösen Gegend hat Mr. Chandi viel Konkurrenz. In direkter Nachbarschaft gibt es einen hinduistischen Tempel und eine Kirche. Nur wenig weiter eine Moschee und einen Sikh-Tempel.
„Hindus wollen etwas über Buddhisten wissen, doch ihre Kultur ist anders", sagt der Mönch. "Da Buddha aus Indien kommt, wollen sie es aber probieren.“
Am nächsten Morgen macht sich Mr. Chandi barfuß und mit einer Art Bettelschale über der Schulter auf den Weg zu Bhavana Lila Schröder. Die 47-Jährige hat ihm versprochen, heute für den Tempel zu kochen. Und Mr. Chandi lebt von diesen Gaben.
Der buddhistische Mönch Mr. Chandi in senfgelber Robe auf dem Bhogal Market in Delhi
Tempelhüter aus Thailand: der buddhistische Mönch Mr. Chandi auf dem Bhogal Market© Deutschlandradio / Antje Stiebitz
Bhavana Lila Schröder steht in ihrer Küche und bereitet Puri Sabzi, kleine in Öl ausgebackene Fladen und Gemüse, für den Mönch vor. Die 47-Jährige kennt Mr. Chandi, seitdem er nach Indien gekommen ist:
"Ich kenne diesen Tempel seit meiner Kindheit, weil ich hier in dieser Gegend aufgewachsen bin. Damals war er in einem sehr schlechten Zustand, weil es nicht genügend Personen und Äbte gab, die sich um ihn kümmerten. Dann in den 1970ern begann dieser Zusammenschluss."

Indisch-thailändische Zusammenarbeit

Damals habe sich ein indischer Mönch mit einem thailändischen Mönch zusammengetan und Thailand um Unterstützung gebeten. Diese Hilfe wurde gewährt und der Tempel saniert.
Der thailändische Mönch Mr. Chandi, hat bereits davon gehört, dass die indische Regierung, intensiver mit buddhistischen Ländern kooperieren möchte. Aber er glaubt nicht, dass sich das auf seinen Tempel auswirken wird. Und was die Zusammenarbeit zwischen Thailand und Indien betrifft: Im Fall des "Bhogal Buddha Vihar"-Tempels war sie ja bereits vor Jahrzehnten fruchtbar.
Eingangstor zum buddhistischen Tempel "Bhogal Buddha Vihar" in Delhi. Über dem Tor ist ein rotes Schild.
In multireligiöser Nachbarschaft: Tor zum buddhistischen Tempel "Bhogal Buddha Vihar"© Deutschlandradio / Antje Stiebitz
Zurück zur International Budhhist Confederation. Sie ist im obersten Stock des Indira Gandhi Centre for Arts am Connaught Place untergebracht. Der Direktor Ravindra Panth sitzt in seinem Empfangszimmer auf einem Sofa.
Buddha, erklärt der Gelehrte, habe die Veden, heilige Schriften der Hindus, gekannt. Daher überschneiden sich viele Begriffe und Vorstellungen im Hinduismus und Buddhismus. Ravindra Panth sagt, dass Buddha nicht etwa den Buddhismus gelehrt habe, sondern Dharma.

Gemeinsamer Glaube an die Wiedergeburt

Diese Bezeichnung für menschliche Verhaltensregeln und kosmische Gesetze gibt es auch im Hinduismus. Der Buddhismus-Experte nennt ein Beispiel:
"König Ashoka – seine Inschriften sagen: Respekt allen Religionen gegenüber ist die Praxis des Dharma. Und diese Vorstellung findet man auch in der Hindutradition."
Auch das hinduistische Karma, die Vorstellung, dass unsere Taten sich auf unsere Wiedergeburt auswirken, gibt es im Buddhismus. Der Glaube an Wiedergeburt ist beiden Religionen gemeinsam. Allerdings gibt es bei diesen sehr vielschichtigen Begriffen oft theologische Differenzen: Während Hindus etwa von der Wiedergeburt einer Seele ausgehen, so Ravindra Panth, glauben die Buddhisten, dass eine Art Bewusstseinsströmung in einem neuen Körper wiedergeboren wird.
Goldene Buddhafiguren im buddhistischen Tempel "Bhogal Buddha Vihar" in Delhi
Verehrung des Erleuchteten und individuelle Suche nach Erlösung: Buddha-Figuren im Tempel "Bhogal Buddha Vihar"© Deutschlandradio / Antje Stiebitz
Der größte Unterschied zwischen den beiden Religionen liege aber in der Person des Buddha selbst:
"Buddha spricht nicht über Gott. Aber im späteren Buddhismus wird Buddha zu Gott. Die Menschen begannen ihn zu verehren. Buddha betonte die Erlösung des Einzelnen. Wenn man praktiziert, dann erreicht man sie!"

Öffnung für andere buddhistische Länder

Dass Hinduismus und Buddhismus nun wieder ihre Gemeinsamkeiten betonen, freut nicht nur den Buddhismus-Experten Ravindra Panth, sondern auch buddhistische Länder, wie China, Sri Lanka oder Bhutan. Denn das bedeutet, dass beispielsweise die Buddhismus-Forschung, die Meditationspraxis oder der Tourismus zwischen den buddhistischen Ländern vorangebracht wird. Und dass die Orte in Indien, die mit dem Leben des Buddha im Zusammenhang stehen, etwa Bodhgaya, Sarnath oder Kushinagar, an Bedeutung gewinnen.
Dass die Regierung unter Narendra Modi dem Buddhismus wohlgesonnen ist, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass dieser - anders als der Islam oder das Christentum - auch zur der von ihr propagierten Hindutva-Ideologie gehört, das heißt: mit in die "Familie der Hindus" integriert ist.

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