Religiöse Räucherstäbchen

Wohlgeruch für Buddha und Ganesha

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Brennende Räucherstäbchen in einem Topf aus Respekt für Buddha in einem Tempel in Saigon, 2022.
Räucherwerk gilt seit Jahrtausendenden als Götternahrung, nicht nur in Indien - ihre genaue Bedeutung variiert aber stark: Von Glück bis Vergänglichkeit. © imago / imagebroker / Olaf Schubert
Von Gerd Brendel · 27.11.2022
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Wie der Buddhismus riecht? Nach Räucherstäbchen natürlich. Von Sandelholz bis Weihrauch – Räucherwerk wird in buddhistischen und hinduistischen Tempeln abgebrannt. Hinter dem duftenden Rauch steckt mehr: Kontaktaufnahme zum Göttlichen.
Es ist eine Neumondnacht. Und wie in hinduistischen Tempeln auf der ganzen Welt versammeln sich auch in Berlin die Gläubigen zur Andacht im Sri Ganesha Mandir, vor dem Allerheiligsten mit dem elefantenköpfigen Gott Ganesha. Sein Standbilld und die von Durga, Krishna, Hanuman, Sita, Rama und einem halben Dutzend mehr Göttern entlang der Wand verwandeln die schlichte Lagerhalle in einen heiligen Raum, in eine Begegnungsstätte mit dem Göttlichen und dem ganzen Universum.

Der Rauch verbindet mit dem Element Luft

„Uns geht es um die fünf Elemente“, erklärt Krishna Murti. Der ältere Herr kümmert sich seit seiner Pensionierung um den Rohbau nebenan, aber bis der neue Tempel fertig ist, gelten hier die frommen Hausregeln:

 „Wenn Sie in den Tempel reinkommen, müssen Sie die fünf Elemente antasten. Deshalb zieht man die Schuhe aus, so dass man barfuß die Erde tastet. Dann kommt man rein und macht eine Feuer-Zeremonie für den Gott, so dass man mit dem Feuer in Berührung kommt.“

Krishna Murti, vom Sri Ganesha Mandir-Tempel

Damit meint Krishna Murti die Flamme der Öllampe, mit der der Priester erst um das Götterstandbild einen Kreis zieht und dann über die Köpfe der Gläubigen schwenkt. Später wird der Priester jedem etwas von dem Wasser mitgeben, mit dem vorher die Götterbilder gereinigt wurden. Erde, Feuer, Wasser – mit allen Elementen verbinden sich so die Gläubigen. Das vierte Element, die Luft, steigt in dünnen Rauchschwaden auf – von den Räucherstäbchen, zu Füßen von Krishna, Durga, Hanuman, Ganesha und den anderen.
„Deswegen benutzt man die Räucherstäbchen im Tempel“, erklärt Krishna Murti. „Wenn wir reinkommen, atmen wir die Räucherkerzen ein.“

Räucherwerk gilt als Götternahrung

Räucherwerk ist nicht nur auf dem indischen Subkontinent seit Jahrtausenden bekannt als Natursinnbild und Götternahrung, sondern in ganz Asien. In Indien werden dazu dünne Bambusstäbchen mit einer Paste aus wohlriechenden Hölzern wie Sandelholz bestrichen.
In Südostasien, in China kommt das Räucherwerk in den konfuzianischen und buddhistischen Tempeln von Spiralen oder zwei Meter hohen Räucherkerzen, die oft kunstvoll mit Drachenfiguren verziert werden. Im buddhistischen Fu Guang Shan-Tempel im Berliner Norden stecken die Joss-Sticks, die Götter-Stäbe, in einem Messingkessel vor den vergoldeten Buddhastatuen.
Wie an jedem Sonntagvormittag eröffnet die Ordensfrau und Vorsteherin des Tempels Miau Shiang die Andacht mit dem Lu Xian Zan - dem Lobpreis Buddhas und des Weihrauchs:
„Der Weihrauch im Räuchergefäß ist entzündet
Alle Welten des Dharma erfüllt er mit seinem Duft
Die ozeanweite Versammlung der Buddhas nimmt ihn von ferne wahr
Glückverheißend sind die Wolken, die sich jetzt überall hin ausbreiten
Weil wir mit aufrichtigen Herzen bitten, erscheinen nun alle Buddhas hier.“

Brückenpfeiler ins Himmlische

Der Rauch steigt empor zu den drei Buddhas mit ihrem ewigen Lächeln. Der mittlere symbolisiert den historischen Buddha und Religionsgründer Gautama Buddha – zu seiner Geburt soll es der Legende nach Blütenblätter geregnet haben und die Luft sei erfüllt gewesen von Sandelholz und anderen Wohlgerüchen.
„Das ist eine Opfergabe“, erklärt Miau Shiang, die hier alle ehrfurchtsvoll „Meisterin“ nennen. „Wir opfern solche Räucherstäbchen dem Buddha und das ist eine Verbindung zwischen uns.“
Die Räucherkerzen dienen also quasi als Brückenpfeiler auf dem direkten Weg zur himmlischen Welt, mit ihren vielen Verkörperungen Buddhas und den Boddhisatvas – erleuchteten Wesen, die den Menschen hilfreich zur Seite stehen. Und das Räucherwerk ist keine Einbahnstraße – davon zumindest sind die Tausenden überzeugt, die sich jedes Jahr zum chinesischen Neujahrsfest vor den Tempeln drängen.
In Taiwan wird der fromme Wettlauf sogar live übertragen, wie in diesem Fernsehbericht: „Dann stürzen alle nach vorne. Wer als erster sein Weihrauchstäbchen in den Weihrauchtopf steckt, hat das ganze Jahr Glück. Und dementsprechend gibt es großen Andrang.“

Gute Werke sind der Weihrauch des Herzens

Shio Fang Tang vom Tempelverein kümmert sich zusammen mit Lingmay Guan um Besucher. Auch hier im Berliner Tempel drängeln sich dann die Gläubigen, erzählt Guan. Und fast, als sei der Geschäftsfrau die handfeste Glaubensübung peinlich, steuert sie noch eine andere Deutung bei:

„Es gibt noch einen anderen Weihrauch, den man nicht sehen kann, der kommt von unserem Herz. Gute Gedanken machen, etwas Gutes tun – dadurch entsteht ein sogenannter Herz-Weihrauch.“

Lingmay Guan, Tempelverein Fu Guang Shan

Die Tempelvorsteherin Miau Shiang nickt. An ihrer grauen Ordenstracht und dem kahl geschorenen Schädel ist sie auch im Alltag als buddhistische Nonne erkennbar. Der Tempelvorsteherin ist noch ein anderer Gedanke wichtig.
„Dieser Weihrauch hat die Bedeutung: Er ist vergänglich. Das heißt: Wir sollten diesem Weihrauch nicht anhaften. Wir sollten nicht immer diesem Körper, unserem Leben, anhaften.“

Viele Düfte, viele Bedeutungen

Vom süßlichen Sandelholz-Aroma indischer Räucherstäbchen bis zum schweren Duft der Räucherkerzen in buddhistischen Tempeln von China bis Berlin. So viele Geruchsnoten – so viele Bedeutungen: Naturverbundenheit, Götterspeise, Glückssymbol und Symbol für die eigene Vergänglichkeit. Was in Rauch aufgeht, wenn Räucherstäbchen und Räucherkerzen brennen, erzählt mehr als nur eine Geschichte.
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