#regrettingmotherhood

Wenn Frauen bereuen, Mutter geworden zu sein

Die Fantasien und Träume der Mütter seien von Bedauern bestimmt, hat Orna Donath herausgefunden.
Sich der Kinder-Erwartung entgegenzustellen, die Mutterrolle abzulehnen, das erfordere viel Kraft, sagt die Soziologin Orna Donath. © imago stock&people
Von Christian Wagner, ARD-Studio Tel Aviv · 16.04.2015
Sie lieben ihre Kinder, aber sie hassen es, Mutter zu sein. Das verrieten israelische Frauen in einer soziologischen Studie. Die Wissenschaftlerin Orna Donath erntet damit starke Reaktionen.
Donath: "Es ist schwer, es einzugestehen: Viele der Frauen, die ich befragt habe, haben gesagt: Ich liebe meine Kinder. Immer wieder haben sie das betont. Aber sie hassen es, deren Mutter zu sein."
Mit nur 23 solcher Frauen hat Orna Donath ausführliche Gespräche geführt, ihre Geschichten dokumentiert. Es ist also keine repräsentative Studie. Aber die Soziologin versucht, daraus Schlüsse zu ziehen. Zunächst einmal: Ein Bedauern, ein tiefes Bereuen der Entscheidung für Kinder wird Frauen in Israel und den meisten anderen Gesellschaften gar nicht zugestanden. "Mutter sein, das ist heilig", sagt die Gesellschaftsforscherin. Und deshalb ist es ein Tabubruch, wenn ihre Gesprächspartnerinnen über ihre Mutterrolle sagen:
"Sie würden am liebsten keine Mutter von irgendjemand sein. Sie würden lieber unabhängig durch die Welt gehen, ohne den ständigen Gedanken 'ich habe ein Kind', 'ich muss mich kümmern'. Und interessanterweise hält dieses Gefühl auch bei denen an, die schon Großmutter sind."
... auch weil die Gesellschaft erwartet, dass eine Großmutter ihre Enkel liebt und sich um sie kümmert. Überhaupt: Der gesellschaftliche Druck, Kinder zu bekommen, ist in Israel größer als in anderen Ländern: Allein schon deshalb, weil drei Kinder Durchschnitt sind, doppelt so viele wie in Deutschland.
Starker Gegenwind
Sich der Kinder-Erwartung entgegenzustellen, die Mutterrolle abzulehnen, das erfordere viel Kraft, sagt die Soziologin. Auch deshalb bekommt sie sehr emotionale Reaktionen auf ihre Arbeit:
"Es gibt die einen, die das für eine furchtbare Studie halten, die besser nicht veröffentlicht worden wäre. Und es gibt die anderen, die sagen: Danke! Das gibt mir die Möglichkeit, über zumindest ähnliche Gefühle als Mutter zu sprechen."
Andere, so Orna Donath, schreiben, sie seien jetzt nicht mehr so allein. Wie stark der Gegenwind ist, wird deutlich, wenn die Forscherin sagt:
"Ich bin doch nicht gegen Kinder oder gegen Mütter. Ich will nur den Blick erweitern und mit dem Schwarz-Weiß-Denken aufräumen: Denn demnach bedeutet Mutter zu sein ausschließlich und zwingend Glück, und Kinderlosigkeit ist demnach immer reines Unglück."
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