Regisseur und Drehbuchautor Edward Berger

Die Berlinale als Karrieretreiber

35:12 Minuten
Der Regisseur Edward Berger auf der Berlinale 2014.
Regisseur Edward Berger bei der Berlinale: Sein Film "All My Loving" läuft in der Sektion Panorama. © Getty Images / Francois Berthier
Moderation: Katrin Heise · 12.02.2019
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Um Liebe und Lebenskrisen geht es in dem Film "All My Loving". Nach seinem filmischen Befreiungsschlag "Jack" ist Edward Berger damit erneut auf der Berlinale vertreten – die auch für seinen Erfolg als Serienregisseur mitverantwortlich ist.
"All My Loving" hat lange in der Schublade gelegen, nun läuft der Film von Regisseur Edward Berger im Panorama der Berlinale. Er lotet darin die Abgründe einer scheinbar ganz normalen Mittelschichtsfamilie aus:
"Es geht um drei Geschwister, die alle wahnsinnig viel Liebe in sich haben und nicht genau wissen, wohin damit." Daher der Titel. Das Wort "Liebe" im deutschen Original wäre Berger allerdings zu kitschig vorgekommen.

Zusammenarbeit mit Starregisseur Ang Lee

Der gebürtige Wolfsburger hat sein Regiestudium zu großen Teilen in New York absolviert und dort mit Starregisseur Ang Lee zusammen gearbeitet. Die erste Ahnung von der großen weiten Welt ereilt ihn mit 14 Jahren auf einem Schulausflug an die Kunsthochschule in Wolfsburg, wo er entdeckt, dass es eine Filmklasse gibt: "Ich wusste nicht, dass man sowas studieren kann. Dann kam ich ganz begeistert nach Hause und mein Bruder sagte: 'Ach, das kannst du vergessen, da musst du hinterher Taxi fahren.'"
Berger schreibt sich für den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen ein. Doch schon in der ersten Vorlesung merkt er, dass er dort komplett fehl am Platz ist: "Dann bin ich rausgegangen und an die Kunsthochschule Braunschweig, und war ein Jahr, weil ich zu spät mit der Bewerbung war, Gasthörer an der Filmklasse."
Weil er die Filme der New Yorker Produktionsfirma Good Machine mag, bewirbt er sich dort um ein Praktikum, bekommt es und darf nach drei Monaten Gratis-Arbeit tatsächlich bezahlt weitermachen. Parallel dazu studiert er an der New York University Film.

Cineastischer Befreiungsschlag mit "Jack"

Als junger Vater folgen für ihn zunächst Jahre, in denen er vor allem Drehbücher für Fernsehkrimis realisiert.
Der Kinofilm "Jack" ist sein cineastischer Befreiungsschlag – die Idee dafür läuft ihm buchstäblich über den Weg: Beim Ballspielen mit seinem Sohn an einem Sonntagnachmittag kommt ein zehnjähriger Junge mit Schulranzen auf dem Rücken am Zaun vorbei und winkt. "Das ist Jack, der geht immer Freitagnachmittag zu seiner Mutter und sonntags dann wieder zurück ins Heim", erklärt ihm sein Sohn.
"Diesen Weg eines Jungen, weg von der Mutter, jeden Sonntag: Da habe ich mir vorgestellt, dass die Last des Schulranzens ihn erdrücken müsste, dass er mit krummem Rücken geht und lahm winkt und traurig ist. Aber der Junge ging mit einer Kraft und lachend und winkend der Sonne entgegen und hieß auch noch Jack wie ein amerikanischer Pionier. Das hatte Aufbruchsgeist."
Inspiriert davon wirft Berger sein aktuelles Skript in die Ecke und beginnt, eine neue Geschichte zu schreiben. Der Film über einen vernachlässigten, mutigen Zehnjährigen, der mit seinem kleinen Bruder auf der Suche nach der Mutter durch Berlin stromert, läuft nicht nur als Wettbewerbsbeitrag auf der Berlinale 2014, er ist auch der Türöffner für neue Projekte, die über die hierzulande üblichen Formate hinausgehen.

Serienerfolg mit "Deutschland 83"

Mit "Deutschland 83" über einen Grenzsoldaten aus der DDR, der als Spion in die BRD geschleust wird, steht Edward Berger hinter einem der ersten Versuche, ein Serienformat auch in Deutschland zu etablieren – ein Versuch, der so erfolgreich ist, dass er trotz der rein deutschen Thematik auch in die USA verkauft wird.
"Das kam auch auf der Berlinale zustande. Die Berlinale hat mit allem zu tun. 'Deutschland 83' lief ein Jahr nach Jack in den Drama Series Days, da wurde es vorgestellt. Der Fernsehkanal Sundance TV hat das gekauft, weil es wohl für die Amerikaner sehr zugänglich war."
"Deutschland 83" bahnt den Weg für weitere internationale Erfolge. So hat Berger zuletzt etwa die englischsprachige Miniserie "Patrick Melrose" mit Sherlock-Star Benedict Cumberbatch realisiert und die von Ridley Scott produzierte US-amerikanische Fernsehserie "The Terror". (svo/ma)
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