Ursprung von Redensarten

Woher der rote Faden kommt

07:05 Minuten
Ein schwarzer Faden kringelt sich über einen schwarzen Hintergrund.
Eine von Rolf-Bernhard Essigs Lieblingsredensarten ist die vom roten Faden. Sie leite sich aus der Seilerei her, erzählt der Journalist. © Getty Images / iStockphoto / tolgart
Rolf-Bernhard Essig im Gespräch mit Frank Meyer |
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Handwerksberufe sind eine Fundgrube für Redensarten. Egal, ob Meister, die nicht vom Himmel fallen, oder Menschen, die wie gedruckt lügen: Wie diese Sprüche zustande kamen, kann man in Rolf-Bernhard Essigs Buch "Pünktlich wie die Maurer" nachlesen.
„Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen! Du musst noch jede Menge Lehrgeld zahlen. Und danach siehst du sofort den roten Faden, der sich da durchzieht.“ Solche Sprüche kennen wir alle. Und manchmal verdreht man genervt die Augen, weil man sie schon so oft gehört hat und weil sie ein wenig binsig daherkommen.
Ähnlich wie auch: „Lügen wie gedruckt“ – nicht sehr beliebt bei Journalistinnen und Journalisten – oder „pünktlich wie die Maurer.“ Dass diese Redensarten sich alle in irgendeiner Form aus dem Handwerk ableiten, lässt sich leicht erkennen. Aber kaum jemand weiß, wie sie eigentlich entstanden sind.  

Diebstahlsicherung der britischen Marine

Der Journalist Rolf-Bernhard Essig hat das recherchiert und ein unterhaltsames Buch darüber geschrieben: „Pünktlich wie die Maurer“.
Eine seiner Lieblingsredensarten ist die vom roten Faden. Sie leite sich aus der Seilerei her, berichtet Essig. „Die britische Marine hatte sich ausgedacht: Wir brauchen eine Diebstahlsicherung für unsere Seile. Denn die wurden oft gestohlen in der Segelschiffzeit. Und hat dann in der Reeperbahn – wo die Seile hergestellt wurden – einen Faden, meist rot, einweben lassen.“ Der zog sich vom Anfang bis zum Ende durch.

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Daran waren die Seile sofort als Besitz der britischen Marine zuerkennen. Bei dem Versuch, den roten Faden zu entfernen, hätte man das Seil zerstört, was den Diebstahl sinnlos gemacht hätte.

Goethe nahm den roten Faden auf

Das war Mitte des 18. Jahrhunderts, als Delikte wie Diebstahl drakonisch mit Todesstrafe oder Verbannung in die Kolonien bestraft wurden. Mit intakten Seilen der britischen Marine erwischt zu werden, wollten viele potenzielle Diebe im Zweifelsfall lieber doch nicht riskieren.
Es war Goethe, der einige Jahrzehnte später die Seilmarkierung sinnbildlich auf Texte übertrug. In den „Wahlverwandtschaften“ tauchte 1806 das Bild vom roten Faden zum ersten Mal auf, sagt Essig.

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Der größte Teil der „handwerklichen“ Redensarten, die wir hierzulande heute noch verwenden, kommt aus dem deutschsprachigen Raum. An die 50 Handwerksberufe kommen in Essigs Buch vor: Schmiede – „Jeder ist seines Glückes Schmied“ – Konditoren – „Du grinst wie ein Honigkuchenpferd – oder auch Elektriker – „Wissen, was Phase ist“.

Immer wieder kommen neue Redensarten dazu

Ein eigenes Kapitel ist auch dem Druckhandwerk gewidmet. Der Spruch „Du lügst wie gedruckt“ hat seinen Ursprung im späten Mittelalter, in der Frühzeit des Buchdrucks, als es erstmals möglich war, gesammeltes Wissen und Neuigkeiten vielen Teilen der Bevölkerung zugänglich zu machen.

Rolf-Bernhard Essig: "Pünktlich wie die Maurer"
Duden Verlag, Berlin 2022
192 Seiten, 12 Euro

Tauchte in einer Handschrift ein Fehler auf, war dieser eben nur einmal da – in gedruckten Texten aber, die in großer Zahl vervielfältigt werden konnten, tauchte dieser Fehler immer wieder auf.  
Das für Essig Faszinierende ist: Es kommen immer wieder neue Redensarten aus dem Handwerk dazu. Es gebe Redensarten, die auf Techniken aus der Steinzeit oder der Antike verwiesen, etwa: an etwas feilen oder einer Sache den letzten Schliff geben. Andere dagegen, wie etwa „wissen, was Phase ist“, seien im Zeitalter der Elektrizität hinzugekommen. Und dies setze sich immer weiter fort.
(mkn)
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