Zitieren, wie es gerade passt
15:31 Minuten
Einerseits die eigene Agenda verbreiten, andererseits möglichst seriös wirken – darauf setzen viele rechtspopulistische Medien. Eine Studie hat sich jetzt angesehen, welche Taktiken sie dafür konkret nutzen.
Der Mord an Walter Lübcke, der Anschlag in Halle, das Attentat in Pittsburgh – all diesen gewalttätigen Übergriffen ging laut Amadeu Antonio Stiftung eine Online-Radikalisierung voraus, teils auch durch Kampagnen, die von sogenannten "alternativen" rechten Medien befeuert wurden.
Neben zahlreichen kleinen Blogs gibt es dabei auch professionelle Player. Etwa der vom russischen Staat finanzierte Sender RT und die Internetplattform apolut, die vorher unter dem Namen KenFM bekannt war. Letztere wird nach Recherchen von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" seit März vom Verfassungsschutz beobachtet, weil sie dazu beitrage, die "Querdenken"-Szene zu radikalisieren.
Diese selbsternannten "Alternativen Medien" sehen sich als Korrektiv zu dem, was sie als den dominanten Mainstream-Diskurs wahrnehmen, sagt Heidi Schulze, Forscherin an der LMU München zu Radikalisierung und ideologisch motivierter Nachrichtenwebsites. Diese Seiten greifen häufig klassische Nachrichtenmedien, vermeintliche Eliten und die Migrationspolitik an. Seit der Coronapandemie prägen auch Wissenschaftsfeindlichkeit und vermehrt Verschwörungsideologien die Inhalte, so Schulze.
Jeder Zehnte kennt diese Angebote
Die Reichweite dieser Seiten ist dabei nicht zu unterschätzen. Laut dem jüngsten Digital News Report der Forschungseinrichtung Reuters Institute kennen knapp ein Zehntel der volljährigen Befragten rechtspopulistische Medienangebote wie "Tichy’s Einblick", "Epoch Times" und "Compact Online".
Eine Studie namens "Zwischen den Logiken: Wen alternativen rechte Online-Medien zitieren" vom Weizenbaum Institut hat sich nun mit solchen Angeboten befasst und dafür die Quellen analysiert, auf die sie sich beziehen. Dabei ist einer der Autorinnen, Annett Heft aufgefallen, dass viele der selbsternannten "Alternativmedien" auf den ersten Blick schwer von journalistischen Angeboten zu unterscheiden seien.
Das habe auch damit zu tun, dass Begriffe wie "Desinformationsseiten", um diese Medien zu beschreiben, zu kurz greifen würden. Denn es gebe auch Themen, bei denen neutral berichtet und dies auch durch eine Nennung von Quellen belegt werde, so Heft.
"Da gibt es natürlich schon Seiten, die einen stärkeren Link zu politischen Akteuren und sozialen Bewegungen haben und wo stärker auf Akteure des eigenen ideologischen Umfelds verlinkt wird. Es gibt aber auch Seiten, die auf den ersten Blick journalistischen Angeboten entsprechen, wo zum Beispiel Berichte über aktuelle Ereignisse aus dem politischen Leben relativ nah an das rankommen, was man traditionell von journalistischen Berichterstattung erwarten würde."
Die USA zeigen, wo es hingehen könnte
Die traditionellen journalistischen Medien – die ja sonst oft als "Fake News" diffamiert werden – würden für diese Berichte dann sogar oft als Quelle dienen. Das erfülle gleich zwei Aufgaben: Zum einen leihe man sich so bei weniger politisch aufgeladenen Themenbereichen die Legitimität dieser Medien und verschaffe sich mehr Glaubwürdigkeit. Zum anderen habe diese Taktik auch eine ökonomische Komponente, weil man sich durch das Übernehmen von Inhalten und Zitaten die Ressourcen für eine aktuelle Berichterstattung sparen könne.
All dies führe dazu, dass diese aktivistischen Angebote schwerer von seriösen Medien zu unterscheiden seien – für Annett Heft das größte Problem. Deshalb wünscht sie sich Regulierungsansätze, aber auch mehr Hilfsmittel, die beim Erkennen und Einordnen solcher Inhalte helfen.
"Der ganze Bereich des Fact-Checking ist zum Beispiel ziemlich wichtig, aber eben auch die öffentliche Diskussion darüber, was denn diese Angriffe, die unter diesen Begriffen von ‘Fake News’ et cetera laufen, für eine Gesellschaft bedeuten. Hier ist ja das amerikanische Beispiel ein gutes Beispiel und in gewisser Weise ja auch der Vorreiter für Entwicklungen in anderen europäischen Ländern. Dort können diese parteiischen Medien ja noch nicht mal mehr als ‘Alternativmedien’ bezeichnet werden. Von der Reichweite her sind Angebote wie ‘Breitbart’ eine wichtige Quelle für einen großen Teil der Bevölkerung."
Deshalb müsse man sich damit auseinandersetzen, wie man als Gesellschaft mit solchen Publikationen umgehen wolle und darauf achten könne, bestimmte Standards zu erhalten. Dadurch könne dann auch gleichzeitig das Vertrauen in Medien als solche gestärkt werden, so Heft.